: Der Stolz der Sieger
■ Sogar Lob von der Opposition. Deutsche Truppenaufstockung nun beschlossen
Wie es dem Kanzler gerade geht, kann man in diesen Kriegszeiten gut am Gesicht von Michael Steiner ablesen. Kaum ein wichtiger Kosovo-Auftritt, den Schröder ohne seinen Sicherheitsberater absolviert. Auch heute auf dem Weg in den Bundestag hält Steiner sich keine zwei Schritte hinter seinem Chef. Und während der Kanzler für die Kameras nach gesetzten Worten sucht, verrät Steiners Miene allergrößte Zufriedenheit.
Ob es einem gefällt oder nicht, Kriege haben Sieger. Jetzt scheint der Krieg vorerst vorbei zu sein, und der Kanzler zählt sich zu den Siegern. Mit dieser Einschätzung befindet er sich im Bundestag in guter Gesellschaft.
Offiziell dient die außerplanmäßige Parlamentssitzung an diesem Freitag der Zustimmung zum Bundeswehreinsatz bei der Friedenssicherung im Kosovo. Gleichzeitig bietet sie den roten und grünen Regierungspartnern die Gelegenheit, einander kräftig auf die Schulter zu klopfen. Das trifft sich gut. Am Sonntag ist Europawahl.
Die Opposition habe doch nur darauf gewartet, ruft die grüne Verteidigungspolitikerin Angelika Beer in den Saal, daß die Koalition an der militärischen Intervention im Kosovo zerbreche. Da tut Eigenlob gut. „Wir sind nicht die pflegeleichte Jasager-Koalitionspartnerin“, faßt Beer die zermürbenden Debatten in den eigenen Reihen zusammen. Es sei gut, daß ihre Partei den Part des Bedenkenträgers übernommen habe. „Viele sagen, Rot-Grün hat diesen Krieg möglich gemacht“, greift sie die öffentliche Kritik von links auf, „da sage ich: Nein!“ Vielmehr sei es den Grünen zu verdanken, daß die Diplomatie eine so wichtige Rolle gespielt habe.
11 Enthaltungen wird die Abstimmung letztlich ergeben, 24 Neinstimmen, die alle aus den Reihen der PDS kommen dürften, sowie 505 Jastimmen. Während das Ergebnis die allseits erwartete Unterstützung für den Antrag der Bundesregierung widerspiegelt, zeigt die Debatte, wie schwer es den Kriegsgegnern nun fällt, den Elan der früheren Auseinandersetzungen aufzubringen.
Der Beitrag der sieben kriegskritischen grünen Abgeordneten beschränkt sich auf eine knappe „persönliche Erklärung“ von Hans-Christian Ströbele am Ende der Debatte. Wie seine sechs Fraktionskollegen, die sich ebenfalls der Stimme enthalten, nimmt er vor allem Anstoß an der Formulierung, der aktuelle Zustand im Kosovo sei das Ergebnis der „Doppelstrategie“ der Nato, auf militärische wie diplomatische Mittel zu setzen. Damit werde der Krieg nachträglich legitimiert, kritisiert Ströbele. Man dürfe nicht vergessen, „daß einem ganzen Volk die Lebensgrundlage weggebombt“ wurde. Auch Gregor Gysi, der andere Chefankläger wider die Nato-Operation, stoppelt sich eher mühsam durch sein Manuskript. „Eine Folge des Krieges wird Hochrüstung sein“, prophezeit der PDS-Fraktionsvorsitzende. Seine Fraktion lehnt den Antrag ab.
So kraftlos wie der Protest der Gegner bleibt, so durchgängig ist das Lob der beiden anderen Oppositionsfraktionen, FDP und CDU/CSU. Gerhard Schröder kann sich wirklich als Sieger fühlen. Nur den Staatsmann muß er noch üben. Ob er angesichts des Friedens jetzt wieder ausschlafen könne, fragt eine Reporterin den Kanzler vor der Bundestagsdebatte. Nein, sagt der, „wir müssen immer hellwach sein, unsere Opposition schläft ja auch nicht.“
Hoppla, falsches Register. Noch während Schröder spricht, hat er seinen Fehler begriffen. In Kriegszeiten haut man nicht auf andere Parteien ein, da gibt man den Kanzler der nationalen Geschlossenheit. Kommando zurück. „Aber jetzt mal im Ernst“, schiebt er mit öligem Lächeln nach und spricht fortan nur noch von Pflicht und Verantwortung. Patrik Schwarz, Bonn
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen