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Bürokratie schlägt zu

■ Immer mehr Freischaffende fliegen seit kurzem aus der Künstlersozialkasse

Die Künstlersozialkasse (KSK) ist eine verdienstvolle Einrichtung. Anfang der achtziger Jahre ins Leben gerufen, hilft sie freischaffenden KünstlerInnen (auch PublizistInnen), die Kosten für Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung in erträglichem Rahmen zu halten. Die eine Hälfte des Beitrags zahlt der Versicherte selber, die andere übernehmen zu gleichen Teilen der Bund und die sogenannten Verwerter, also zum Beispiel Verlage, Radio- und Fernsehstationen. Der Gedanke dahinter ist ein sozialer. Damit genießen Selbständige im Kulturbereich, die es ohnehin meist nicht so dicke haben, die gleichen Vorteile wie ein Angestellter in jedem anderen Wirtschaftszweig, wo der Arbeitgeber für fünfzig Prozent des Versicherungssatzes aufkommt.

Soweit die Theorie. Wie die Praxis aussieht, das versuchte das Bildungswerk des Berufsverbandes Bildender Künstler (BBK) am Donnerstag abend auf einer Veranstaltung in der Museumsakademie Berlin zu klären. In die Künstlersozialkasse aufgenommen zu werden ist nämlich gar nicht so einfach – kein Wunder bei den Annehmlichkeiten. Wer als Schreiber im Geschäft ist oder als Künstler gut verkauft, hat es noch relativ leicht. Ein paar Verträge oder Abrechnungen geschickt, einige Arbeitsproben, Kataloge und dergleichen beigelegt – fertig. Hauptsache, man verdient im Monat mehr als 630 Mark (im Osten: 530 Mark) und liegt damit über dem sogenannten geringfügigen Einkommen.

Doch es gibt auch Grenzbereiche. Der eingeladene Experte Gerhard Suhrenbrock von der KSK konnte da von manchen Kuriosa erzählen: zum Beispiel von dem Ledertäschner, der wundervoll verzierte Umhängetaschen anfertigte, aber trotzdem als Handwerker klassifiziert und demzufolge abgewiesen wurde, während der Feinschmied, der Schmuckwaffen verschönert, sich am Künstlerstatus und seinen Privilegien erfreut. Das Bundessozialgericht in Kassel hat als zuständige letzte Instanz Hunderte solcher Anekdoten im Regal.

Die wirklichen Probleme jedoch liegen woanders und sind grundsätzlicher Natur. Folgt man der Logik des Gesetzgebers, entscheidet die Höhe des Verdienstes, ob jemand Profi ist oder das alles nur als eine Art Hobby betreibt. Das aber geht haarscharf an der Realität vorbei. Wie viele Künstler und Künstlerinnen arbeiten heute professionell, rackern sich ab für Ausstellungen und Kunstaktionen, sehen dafür aber so wenig Geld, daß sie auf Nebenjobs angewiesen sind. Und auch die 630 Mark wollen erst mal eingenommen sein. Über die Ernsthaftigkeit der Beschäftigung mit Kunst jedenfalls, soviel ist klar, sagt das daraus erzielte Einkommen gar nichts aus.

So verkehrt sich eine Initiative, die als Unterstützung für finanziell schwachgestellte Berufsgruppen gedacht war, in ihr Gegenteil. Nachdem die KSK in den vergangenen Jahren insbesondere von den Krankenkassen zu strengeren Prüfungen angehalten wurde, fallen immer mehr Künstler, Theater- und Filmleute aus der Künstlersozialkasse heraus.

Häufig kommen die Kündigungen ohne Vorwarnung, wird der Verlust des Versicherungsschutzes innerhalb weniger Tage wirksam – Resultat einer unheilvollen Allianz von bürokratischen Vorgaben und um ihre Einnahmen besorgten Versicherungsträgern. Böser Wille ist dabei in den seltensten Fällen im Spiel. Vielmehr ist es die unzulängliche Definition, ab wann ein Künstler sich nicht nur Künstler nennen darf, sondern per Gesetz auch einer ist.

Das System ist der Fehler.

Ulrich Clewing

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