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„Gehorsam? Nicht meine Sache“

■ Wie sich der Einsatz der KFOR-Truppen auf die Entscheidung von Schülern auswirkt, zur Bundeswehr zu gehen oder zu verweigern

Sie sind 19 Jahre oder jünger, sie haben einen deutschen Paß, und sie müssen nach der Schule den Wehr- oder Zivildienst antreten. In Berlin sind das jährlich rund 15.000 junge Männer, etwa 4.000 von ihnen verweigern. Wie hat sich der KFOR-Einsatz der Bundeswehr im Kosovo auf die Bereitschaft, zum Bund zu gehen, ausgewirkt? Ist es jetzt besonders spannend, als Soldat in die Region zu gehen und dabei monatlich rund 6.000 Mark statt der üblichen 2.000 Mark zu verdienen? Nach Angaben des Kreiswehrersatzamtes hat sich der Konflikt im Kosovo kaum auf die Verweigerungsraten ausgewirkt. Nur die Zahl derjenigen, die sich freiwillig dazu bereit erklärt haben, als Krisenreaktionskräfte eingesetzt zu werden, ist von 17 Prozent im Vorjahr auf 10 Prozent gesunken.

Ein Stimmungsbild: Die Rheingau-Oberschule liegt im bürgerlichen Stadtteil Friedenau, wo die Kinder „mehrheitlich aus bewußten, aufgeklärten Elternhäusern kommen“, wie es ihr Lehrer formuliert. In dem Politikkurs der 12. Klasse will nur ein einziger Schüler nach dem Schulabschluß den Militärdienst antreten. Er ist Türke und will in seiner Heimat den Dienst ableisten. „Man muß seine Pflicht leisten“, sagt er. Bei seinen Mitschülern löst gerade dieses preußische Bild von Pflichterfüllung Unbehagen aus. Zwar habe sich ihr Bild von der Bundeswehr in den vergangenen Wochen positiv verändert, da die Bundeswehr jetzt auch „friedenssichernde Maßnahmen unternimmt“, erzählen die Schüler. Doch den Dienst an der Waffe will trotzdem keiner von ihnen leisten. Sie führen weniger besonders ausgeprägte pazifistische Motive ins Feld, wie man es noch in den achtziger Jahren hätte erleben können. Vielmehr begründen sie die Entscheidung auch mit dem ihnen fremden Milieu bei der Bundeswehr: „Das ist mir zu dumm da“, sagt ein Schüler unverblümt. „Diese Ausrichtung von Befehl und Gehorsam ist nicht meine Sache“, meint ein anderer. Es wäre, so finden einige Schüler, der Verlust von „einem Jahr ihres Lebens, der nicht sinnvoll genutzt wird“.

Nur ein Deutscher polnischer Abstammung hat erwägt, zum Bund zu gehen, da man da den Führerschein machen kann. „Aber jetzt habe ich Angst, bei diesem oder dem nächsten Konflikt an die Front geschickt zu werden“, sagt er und will deshalb verweigern. Grundsätzlich aber findet er es richtig, daß „sich die Deutschen endlich von ihrer Vergangenheit befreien und wie andere westeuropäische Staaten auch mit Militär in Krisengebieten agieren“.

Auf die persönlichen Entscheidungen der Schüler in diesem Kurs hat der Einsatz der deutschen Truppen im Kosovo, der auch von der Bundeswehr selbst als nicht ungefährlich eingeschätzt wird, kaum Auswirkungen. Die Mehrheit von ihnen ist für die Einführung einer Berufsarmee: „Die können dann auch vernünftig eingesetzt werden, weil sie besser ausgebildet sind.“ Schade findet es ein Schüler, daß man Zivildienst nicht in einer Krisenregion, sondern nur in Deutschland machen kann.

Szenenwechsel: Drei Schüler aus Oberschulen im Ostteil der Stadt, dem Charles-Darwin- und dem John-Lennon-Gymnasium in Mitte und der Friedrichshainer Oberschule Erich-Fried-Gymnasium. Sie lehnen die Bombardierung Serbiens durch die Nato und den Einsatz der KFOR-Truppen eindeutig ab und sagen auch über ihre Mitschüler: „Es gibt eine einhellige Ablehnung gegen den Krieg.“ Allerdings sei der Einsatz der KFOR-Truppen unter den derzeitigen Umständen schlechterdings nur schwer rundum abzulehnen. Zivildienst wollen auch diese Schüler machen. „Ich bin nicht bereit, für irgendwelche angeblich hehren Ziele auf Leute zu schießen“, sagt einer von ihnen. Zudem sei er für die Abschaffung von Militärbündnissen wie der Nato und wolle durch Militärdienst so einen Verbund nicht auch noch stärken. Gleichwohl kritisieren die Schüler bei ihren Klassenkameraden und Lehrern eine gewisse „Ostkonservativität“. „In Wahrheit sind im Osten viele fürs Militär. Sie stört doch nur, daß Amerika als Vorreiter die Diskussion dominiert.“ Es herrsche zwischen den Zeilen eine antiamerikanische Stimmung, sagen sie.

Und wo sind die Schüler, die zum Bund gehen und nicht verweigern? „Die Weltgemeinschaft hat den Anspruch, gegen Verbrechen wider die Menschlichkeit zu handeln“, sagt ein Schüler der Freiherr-von-Stein-Oberschule aus Steglitz, der sich für den verlängerten Wehrdienst und die Bereitschaft für Auslandseinsätze bereiterklärt hat. „Da kann ich es nicht vereinbaren, daß andere den Arsch für mich hinhalten.“ Mit Abenteuer habe so ein Kriseneinsatz nichts zu tun. „Ich glaube, daß man aus so einer Sache psychisch und physisch geschädigt herauskommt.“ Auch an seinem Gymnasium sei die Verweigerungsrate sehr hoch, trotz des „preußisch-konservativen Touches“, den seine Schule habe. Bei einem anderen Schüler, der sich zur CDU bekennt, war der „Zeitfaktor“ ausschlaggebend, zehn Monate zum Bund zu gehen, statt ein Jahr Zivildienst zu machen. Grundsätzlich sei für ihn die Bombardierung durch die Nato kein Angriffskrieg gewesen, denn im voraus seien schon Tausende von Menschen vertrieben worden. Grundsätzlich müsse aber in Zukunft Europa im Vergleich zu Amerika eine stärkere Position einnehmen. Annette Rollmann

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