Kommentar: Unentschuldbar
■ Warum das Überhören von Nazi-Parolen politisch unverantwortbar ist
Innensenator und Polizeipräsident können sich vor Freude kaum halten. Ist es der Polizei doch weitgehend gelungen, mit einem martialischen Aufgebot am Samstag jeglichen antifaschistischen Protest im Keim zu ersticken. Die Ordnungshüter waren dermaßen auf die Unterbindung demokratischer Proteste fixiert, daß sie die Neonazis mit verbotenen Parolen wie „Ruhm und Ehre der Waffen-SS“ ungehindert durch Hamburg ziehen ließen.
Der vergangene Samstag aber war kein Erfolgstag für die Polizei, und er ist keiner für den so gern beschworenen liberalen Rechtsstaat. Noch nie war es in der Vergangenheit Neonazis gelungen, in Hamburg so freizügig und ungestört ihren rechten Spuk zu treiben, wie an diesem Wochenende.
Bislang brachten Antifaschisten ihren Unmut über die polizeiliche Rolle bei Neonazi-Aufmärschen und Antifa-Gegendemos häufig dadurch zum Ausdruck, daß sie die BeamtInnen verbal attackierten: „Deutsche Polizisten schützen die Faschisten.“ Seit Samstag könnte jemand aufgrund der Hamburger Einsatzkonzeption auf die Idee kommen, diese Formel in „unterstützen“ umzuschreiben.
Die Verantwortlichen in Polizeipräsidium und Innenbehörde können sich nicht formaljuristisch auf das „Demonstrationsrecht der Rechten“ zurückziehen, wenn diese mit verbotenen Parolen durch die Stadt marschieren.
Wegschauen und Weghören war schon immer falsch. Bei polizeilich und politisch Verantwortlichen ist es ein unentschuldbarer Fehler.
Kai von Appen
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