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„Das macht unsre Mädels ganz schön sauer“

■ Der Bundeswehrverband will die Armee grundsätzlich für Frauen öffnen. Für ihren Wehrrechts-Experten Hans-Joachim Ahnert ist das Waffenverbot Ausdruck von „archaischen Vorstellungen“

Ein Verband, dem fast nur Männer angehören, setzt sich für Frauenrechte ein: Der Deutsche Bundeswehrverband unterstützt Frauen, die sich in den Truppendienst der Armee einklagen wollen. Aktuell läuft ein Prozeß beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg (siehe taz vom 29. 6. 1999). Eine 22jährige Anlagenelektronikerin hatte sich 1996 für den freiwilligen Dienst in der Bundeswehr beworben; ihr Antrag wurde abgelehnt. Nach Auffassung des Bundeswehrverbandes verstößt dies gegen eine Richtlinie der EU-Kommission gegen die Diskriminierung von Frauen bei der Berufswahl. Mit einer Entscheidung des EuGH wird im Frühjahr 2000 gerechnet.

taz: Wie kommt ein Soldatenverband dazu, sich für eine Öffnung der Bundeswehr für Frauen einzusetzen?

Hans-Joachim Ahnert: Wir haben ja auch Zeit- und Berufssoldatinnen im Verband, die bisher nur im Sanitäts- und Militärmusikdienst arbeiten dürfen. Und die sind ganz schön sauer darüber, daß ihre Berufschancen so beschränkt werden.

Die Berufschancen bei der Bundeswehr?

Und außerhalb. Die Ausbildungen und Qualifizierungsmaßnahmen, die man bei der Bundeswehr erhalten kann, sind ja auch ein großer Vorteil auf dem normalen Arbeitsmarkt – gerade jetzt, wo er so angespannt ist. Davon sind Frauen ausgeschlossen, und das ist eine grundgesetz- und europarechtswidrige Diskriminierung.

Im Grundgesetz heißt es aber auch, Frauen dürften „auf keinen Fall Dienst an der Waffe leisten“.

Das bezieht sich nur auf Zwangsdienste im Kriegsfall. In der Rechtswissenschaft hat sich die Erkenntnis längst durchgesetzt, daß dieser Satz nicht für die freiwillige Verpflichtung bei der Bundeswehr gilt.

Das Bundesverwaltungsgericht sieht darin jedoch eine allgemeine „Konsequenz aus der deutschen Geschichte“: Frauen sollen besonders geschützt werden.

Der moderne Krieg fordert viel mehr Opfer unter der Zivilbevölkerung als unter den Soldaten. Außerdem macht es unsere Mädels einfach wütend, daß sie hier gegen ihren Willen und sogar gegen den Wortlaut des Grundgesetzes geschützt werden sollen.

Warum gibt es keine Verfassungsbeschwerden?

Es gab welche, aber sie wurden in Karlsruhe ohne Begründung nicht angenommen. Deshalb müssen wir jetzt vor einem europäischen Gericht gegen diese archaischen Vorstellungen kämpfen.

Sie wollen Frauen also – wie es auch Alice Schwarzer fordert – ohne Einschränkung zum Dienst an der Waffe zulassen?

Die Position des Bundeswehrverbands stimmt mit der von Alice Schwarzer völlig überein. Und das ist überhaupt nicht besonders radikal. In zwölf von 15 EU-Staaten ist das geltende Rechtslage.

Die Bundeswehr hat offenbar Angst um ihre Kampfkraft.

Frauen sind vielleicht im Schnitt etwas schwächer als Männer, dafür aber ausdauernder. Das kompensiert sich.

Stimmt es, daß Israel versucht, die Frauen wieder aus den Kampftruppen zu entfernen?

In Israel gibt es Studien, wonach es für die männlichen Soldaten eine viel größere psychische Belastung darstellt, wenn neben ihnen eine Frau zerfetzt wird, als wenn es einen Mann trifft. Dadurch war letztlich doch die Kampfkraft geschwächt. Manche Männer brauchten noch jahrelang psychologische Betreuung.

Also hat die Bundeswehr unter dem Strich doch recht?

Da wird es noch viele Diskussionen geben. Man sollte aber nicht immer nur auf die Kampftruppen schauen. Die meisten Frauen wollen ja gar nicht dorthin, die interessieren sich mehr für technische Jobs als Elektronikerin, Fahrerin oder in der Logistik. Wenn diese Laufbahnen künftig auch für Frauen geöffnet wären, das wäre schon ein epochaler Erfolg.

Wie viele Frauen sitzen im Vorstand des Bundeswehrverbands?

Derzeit keine. Bei uns setzen die Männer aber das um, was die Frauen an der Basis fordern.

Interview: Christian Rath

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