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Freiheit beim Strom darf doch sein

SPD-Fraktion plädiert für Wettbewerb auf dem Energiemarkt, obwohl man eigentlich die Stadtwerke schützen will. Die klagen über Billigkonkurrenz  ■   Von Hannes Koch

Berlin (taz) – Wirtschaftsminister Werner Müller hat erreicht, was er wollte. Die Energieexperten der SPD-Bundestagsfraktion machten gestern einen Rückzieher. Nein, auf diese Art wolle man die kommunalen Stadtwerke denn doch nicht vor der bösen Liberalisierung schützen. „Wir haben nicht die Absicht, den Wettbewerb zu verhindern“, sagte SPD-Energiesprecher Volker Jung. Freiheit beim Strom – sie soll sein.

Kurzzeitig mussten die BundesbürgerInnen befürchten, dass sie auf Jahre an ihre Stadtwerke gefesselt bleiben und deren teuren Strom zu kaufen gezwungen sind. Wirtschaftsminister Müller hatte nämlich vorgeschlagen, dass die Stadtwerke ihren KundInnen den Wechsel zur billigeren Konkurrenz quasi verbieten dürften. Begründung: Viele Stadtbetriebe würden im neuen Wettbewerb untergehen, wenn man sie nicht schütze. Ob Müllers Idee schüttelte alle Welt den Kopf. Seit an Seit protestierten plötzlich die Grünen und Kettensägenfabrikant Hans Peter Stihl vom Deutschen Industrie- und Handelstag.

Müller wollte das Geflecht aus Gewerkschaft, Kommunalbeamten und SPD vorführen. Es ist ihm gelungen. „Ein giftiges Geschenk“, urteilt Michaele Hustedt, Energiesprecherin der grünen Fraktion. Seit Monaten mobilisiert die Gewerkschaft des Öffentlichen Dienstes (ÖTV), zu deren Klientel die Stadtwerke-Belegschaften gehören, gegen die Abschaffung der örtlichen Strommonopole. Der Verein Kommunaler Unternehmen (VKU) fürchtet um die Einkünfte aus den Energiebetrieben, die teilweise die defizitären Schwimmbäder und Buslinien der Städte subventionieren. Nicht nur Volker Jung, nebenbei auch 2. Hauptgeschäftsführer des VKU, trägt diese Forderungen in die SPD-Fraktion. Doch das alles passt Wirtschaftsminister Müller überhaupt nicht: „Wir wollen, dass der Wettbewerb vorankommt“, ließ er seine Sprecherin erklären.

Die Auseinandersetzung um die Grenzen des Wettbewerbs freilich hat gerade erst begonnen. Gestern verhandelten die Regierungsfraktionen von SPD und Grünen über einen gemeinsamenAntrag zur Renovierung des Energiewirtschaftsgesetzes.

Die Grüne Hustedt etwa plädiert dafür, eine Schutzquote für Strom aus Braunkohlekraftwerken aufzunehmen. Jeder Lieferant müsste dann einen entsprechenden Anteil dieser Energie vermarkten. Die Nische könnte bis 2003 aufrechterhalten bleiben. Das soll verhindern, dass der ostdeutsche Stromproduzent Veag – er gehört den Westkonzernen Bayernwerk, PreussenElektra und RWE – mit samt den Arbeitsplätzen im Osten baden geht. SPD-Politiker Jung setzt sich außerdem für die Verteuerung des Konkurrenzstroms ein, sobald er von außen ins Gebiet eines Stadtwerkes geliefert wird. Die städtischen Betriebe sollen eine höhere Gebühr für die Durchleitung von Fremdstrom durch ihre Kabel erheben dürfen – als Ausgleich dafür, dass sie Reservekraftwerke bereithalten müssen, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten.

Parallel dazu streiten sich die Wirtschaftsverbände gerade über die neue Verbändevereinbarung, die eine gleichberechtigte Durchleitung von billigem Strom zu den Privathaushalten sichern soll. Am 28. September müssen der VKU, der Verein Deutscher Elektrizitätswerke (VDEW), der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und der Verband der Industriellen Kraftwirtschaft (VIK) ihre Vorstellungen Minister Müller präsentieren. Ein Knackpunkt: Die Stadtwerke wollen selbst geringere Durchleitungsgebühren zahlen, wenn sie selbst Strom exportieren. Begründung: Ihre Kraftwerke seien häufig kleiner und würden auch ohne das Hochspannungsnetz der Konzerne Strom liefern. Deshalb wollen sich die Stadtwerke nicht an der Finanzierung der dicken Kabel beteiligen. Ergebnis wäre auch hier ein Schutz für die Stadtwerke vor den Auswirkungen der Liberalisierung.

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