Die CDU mottet ihre Wahlversprechen ein

■  Drei Wochen nach der Wahl kehrt der Alltag zurück: Die Regierungsparteien einigen sich auf eine Fortsetzung der Sparpolitik. Ein SPD-Parteitag wird kommende Woche den Koalitonsgesprächen voraussichtlich zustimmen

Kaum hat sich der SPD-Landesausschuss am Montagabend für eine Neuauflage der großen Koalition ausgesprochen, da wirft die CDU schon ihre Wahlversprechen über Bord. In einem gemeinsamen „Eckpunktepapier“ legten sich die Koalitionsparteien darauf fest, die Sparpolitik fortzusetzen. „CDU und SPD stimmen darin überein“, heißt es dort, „dass es bei einer schrittweisen Absenkung der Nettoneuverschuldung bleibt.“

CDU-Landesgeschäftsführer Matthias Wambach sagte gestern, gegenteilige Äußerungen des Regierenden Bürgermeisters Eberhard Diepgen seien ihm aus dem Wahlkampf „nicht geläufig“. Tatsächlich hat Diepgen zwar mehrfach öffentlich über höhere Schulden spekuliert, eine Festlegung aber vermieden. Allerdings summieren sich die Wahlversprechen der Union auf rund 13 Milliarden Mark – ein Betrag, der ohne höhere Schulden nicht aufzubringen ist.

Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing, über deren Ablösung Parteifreunde bereits öffentlich spekuliert hatten, darf das Festhalten am Sparkurs als wichtigen Etappensieg verbuchen. Was die Koalitionspartner zur Finanzpolitik vereinbart hätten, sei „der richtige Weg“, erklärte sie gestern. Wenig geblieben ist auch von der großspurigen Ankündigung, die Finanzpolitik solle künftig nicht mehr das beherrschende Thema sein. Um die eigene Klientel zu beruhigen, haben CDU und SPD das Thema zwar an den Schluss ihres zwei Seiten langen Papiers gestellt. Doch umfasst das Kapitel „Konsolidierung“ eine ganze Seite – so viel wie alle übrigen Themen zusammen.

Völlig unklar ist aber noch, wie die SPD verhindern will, dass die Härten der Sparpolitik wieder an ihr hängen bleiben. Zu dieser Frage enthält das Papier lediglich eine Goodwill-Erklärung der Christdemokraten. Sie wollen die „soliden Finanzvorstellungen“ auch „gemeinsam nach außen vertreten“. Die Frage ist nun, wie die SPD dieses CDU-Versprechen institutionell absichert. Offenbar konzentrieren sich diese Überlegungen nicht mehr darauf, das Finanzressort an die CDU abzutreten. Die Koalitionsverhandlungen könnten bereits am übernächsten Wochenende beginnen – vorausgesetzt, ein SPD-Sonderparteitag am 3. November stimmt den Gesprächen zu. Das gilt als wahrscheinlich, da ein Teil der SPD-Linken um Parteivize Klaus-Uwe Benneter inzwischen auf Koalitionskurs eingeschwenkt ist.

Die Spitzen beider Parteien versuchen, die innerparteiliche Opposition in die Verhandlungen einzubinden. So sollen der CDU-Delegation neben Parteichef Diepgen, Fraktionschef Klaus Landowsky und Generalsekretär Volker Liepelt auch der Europa-Abgeordnete Ingo Schmitt und der Zehlendorfer Kreisvorsitzende Uwe Lehmann-Brauns angehören – zwei Exponenten der Rebellentruppe „Union 2000“. Bei der SPD soll voraussichtlich Fraktionsvize Christian Gaebler als bekennender Koalitionskritiker an den Verhandlungstisch. Außerdem sollen Parteichef Peter Strieder, Fraktionschef Klaus Böger und der Köpenicker Bürgermeister Klaus Ulbricht in die Verhandlungskommission. Offiziell will der SPD-Landesvorstand die Delegation erst nach dem Parteitag benennen. Werden die Genossen vor vollendete Tatsachen gestellt, könnten sie allergisch reagieren. Ralph Bollmann

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