piwik no script img

Bremen von oben

■ Ein Fotobuch zeigt Luftaufnahmen aus den 20-er und 30-er Jahren

Ob groß, ob klein, dick oder dünn, Mann oder Weib: Am Ende aller Tage sehen wir Bremen unisono aus einer tristen Perspektive: von unten. Das ist traurig. Und, schlimmer noch: Die Sicht ist miserabel. So lange wir also noch auf dem Erdboden umher wandeln, spricht vieles dafür, das ungleich größere Angebot an Blickwinkeln rege zu nutzen. Allein: In einem Landstrich, wo Berge allenfalls Straßennamen zieren, bleibt uns eine vielversprechende Perspektive verwehrt. Der Blick von oben, hinab ins tiefe Bremer Tal.

Auch Christine Spiess verfügt darüber nicht, kann sich als gebürtige Meranerin aber immerhin noch gut daran erinnern, dass diesem Blick eine erhabene Würde beiwohnt. Wohl auch darum hat die seit 17 Jahren in Bremen lebende Rundfunk-Journalistin begeistert eingewilligt, als der Wartberg Verlag sie bat, den Begleittext zu einem Buch zu verfassen, das alte Luftaufnahmen der Hansestadt in sich vereint. Die s/w-Fotos stammen zum größten Teil aus dem nordrheinwestfälischen Hauptstadtarchiv in Düsseldorf, wo zahlreiche Fotos bundesdeutscher Städte vor den Zerstörungen des 2. Weltkrieges in Sicherheit gebracht wurden. Sie zeigen vor allem den Bremer Innenstadtbereich in den 20-er und 30-er Jahren, ergänzt durch einige Aufnahmen vom Hafengebiet, von Schwachhausen und dem Rembertiviertel. Die namenlosen Fotografen standen im Dienst der Firma Junkers, die damals die Bilder aus militärisch-strategischen Interesse machen lies.

Und, was sieht man? Ach, vor allem, dass Bremen mal ganz anders war. Dass der Flughafen einem winzigen Fleck glich, fernab von der Innenstadt, umgeben von grüner Wiese und einem kleinen Pappelwäldchen. Dass auf dem Theaterberg tatsächlich mal ein Theater stand, wo Casruso sang und Wagner sich selbst bewunderte. Dass die Kirche Unser Lieben Frauen einen schiefen Turm hat, der Sielwall mal eine große Allee war, die Straßenbahn gar verrückt um den Marktplatz juckelte und die Innenstadt eigentlich keinen Platz für große Autostraßen hatte.

Aber dann kam der Krieg. Und die winkligen Gassen und kleinen Häsuser verschwanden. Ebenso wie das Kaufhaus Bamberger in der Faulenstraße, das dem jüdischen Kaufmann Julius Bamberger gehörte und die erste Rolltreppe der Stadt in sich barg. zott

„Rundflug über das alte Bremen“, 64 Seiten, Wartberg Verlag, 29.80 Mark

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen