: CDU will Regierungsflughafen
■ Bei den Berliner Koalitionsverhandlungen geht es auch um die Lufthoheit. Die SPD ist weiter für die Schließung von Tempelhof und Tegel, die CDU fliegt Ausweichmanöver
Berlins Stadtentwicklungssenator ist nicht gerade ein Vielflieger. Zu großen Tagungen, wie etwa dem Weltkongress der Stadtplaner in Peking, schickt Peter Strieder (SPD) schon einmal seinen Staatssekretär Hans Stimmann. Auch am Boden hat sich der Senator immer wieder gegen den Flugverkehr stark gemacht. Beim so genannten Konsensbeschluss 1996 zwischen den Ländern Berlin und Brandenburg, den Flughafenbetreibern und dem Bund plädierte er an vorderster Stelle für die Schließung der innerstädtischen Airports. Tempelhof, so Strieder, soll 2002 und Tegel bei der Eröffnung des Großflughafens Schönefeld im Jahr 2007 dichtgemacht werden.
Bei den Koalitionsverhandlungen zwischen CDU und SPD ist der Konsensbeschluss nun zur Gretchenfrage avanciert und Strieder in die Defensive geraten. In den Beratungen um den neuen Koalitionsvertrag haben die Mitglieder der Verhandlungsrunde das Thema auf die voraussichtlich letzte Sitzung am heutigen Mittwoch vertagt. Der Punkt sei „Verhandlungsmasse“, wie CDU-Generalsekretär Volker Liepelt sagte. Strittig bleiben daher bis zum Schluss die Fragen, ob der Konsenbeschluss weiter Bestand haben kann, stattdessen wieder Positionen für den Erhalt der Stadtflughäfen Tempelhof und Tegel Oberhand gewinnen oder ein neuer Kompromiss gesucht wird.
Zum Knackpunkt könnte zudem werden, ob etwa mit dem Erhalt der innerstädtischen Airports, die Zukunft Schönefelds 2007 gefährdet wird. Denn mögliche Betreiber sowie Investoren könnten einen Rückzieher machen.
Signale für eine Revision des Konsenbeschlusses hat es im Vorfeld der Verhandlungen von Seiten der CDU gegeben. Obwohl etwa in Tempelhof rund 300.000 Menschen in der Sicherheitszone leben, sprach sich Wirtschaftssenator Wolfgang Branoner dafür aus, den Flugplatz als Geschäftsflughafen zu erhalten. Der „zentrale, citynahe“ Airport eigne sich vorzüglich für „Bedarfsflüge der Unternehmen“ nach Brüssel und London, Mailand oder Prag.
Außerdem brachte Branoner ins Spiel, Tegel als Regierungsflughafen beizubehalten. Staatsgäste und Pendler aus den Bonner Ministerien könnten schneller von Tegel zum Reichstag und in die Regierungsbauten kommen als von Schönefeld.
Rückenwind für ihre Pläne erhält die CDU nicht nur von Wirtschaftsverbänden, sondern auch von der aktuellen Situation in Schönefeld. Obwohl 1997 die private Finanzierung des Flughafens beschlossen worden war, gibt es bis dato weder einen Betreiber noch die endgültige Planung des rund sechs Milliarden Mark teuren Projekts. Schuld ist der Stopp des Vergabeverfahrens an einen Betreiber. Das Verfahren war im August 1999 ausgesetzt worden, da es um den Milliardenauftrag ein juristisches Tauziehen zwischen den konkurrierenden Bieterkonsortien Hochtief und der Bonner IVG gibt. Zudem ermittelt die Staatsanwaltschaft bei Hochtief wegen des Verdachts auf Betrug.
Scheitern die Maximalforderungen für alle drei Flughäfen, könnte sich die CDU mit einem Kompromiss zufrieden geben. Eine mögliche Linie bei den Koalitionsgesprächen wäre eine teilweise Aufrechterhaltung des Flugbetriebs bei einem innerstädtischen Flughafen. Darüber werde „intensiv beraten“, orakelt Parteisprecher Matthias Wambach. Klar ist aber auch bei der CDU, dass Schönefeld unter keinen Umständen ins Hintertreffen geraten darf. Der Termin 2007 „muss eingehalten werden“, forderte Bausenator Jürgen Klemann. Das größte Infrastruktuprojekt des Landes dürfe „nicht gefährdet werden“.
Die SPD pocht dagegen in den Koalitionsverhandlungen auf den Konsenbeschluss und die Schließung der Stadtflugplätze. Vernünftig erscheint dies nicht nur aus wirtschaftlichen und umweltverträglichen Gründen, die für einen expansiven Großflughafen – für anvisierte 60 Millionen Passagiere – vor den Toren der Stadt sprechen. Richtig wäre dies auch aus Sicht der Kosten, erwirtschaften doch Tegel und besonders Tempelhof erhebliche Defizite. Schon deshalb, so der SPD-Verkehrsexperte Christian Gaebler, sei es „ein Fehler, wenn die CDU an Tempelhof festhält“.
Zwei Trümpfe hat Strieder in der Koalitionsrunde außerdem noch im Ärmel. Kurz vor der Wahl im Oktober legte der Senator einen Plan für das 360 Hektar große Flughafenareal in Tempelhof vor, das nach der Schließung in einen Park verwandelt werden soll. Gleiches sieht das „Planwerk Westraum“ vor. Danach soll der Flugplatz Tegel zu Grünflächen, Wohn- und Gewerbestandorten umgestaltet werden. In Strieders Karten sitzt allerdings auch ein Schwarzer Peter. Fällt er in den Koalitionsverhandlungen als Senator durch und das Ressort an die CDU, haben die SPD-Pläne wenig Chancen. Rolf Lautenschläger
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