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British Beef, non merci!

Frankreich bleibt als einziges EU-Land hart: Es will das Rindfleischembargo gegen Großbritannien aufrechterhalten – trotz Drohungen aus Brüssel  ■   Aus Paris Dorothea Hahn

British Beefsteak – drei Stunden“, so steht es auf den Werbeplakaten des Hochgeschwindigkeitszuges von Paris nach London. Und dabei wird es vorerst bleiben.

Denn nach wochenlangem Streit hat die französische Regierung am Mittwochabend beschlossen, das Embargo gegen britisches Rindfleisch aufrechtzuhalten. „Die Sorge um die öffentliche Gesundheit ist vorrangig“, erklärte Premierminister Jospin. Erst wenn „ausreichende Garantien“ – eine größere Sicherheit bei Diagnosetests und eine EU-einheitliche Regelung über Herkunftsnachweise – vorlägen, könne britisches Rindfleisch erneut nach Frankreich importiert werden.

Die Entscheidung im Sinne der Volksgesundheit ist eine Ohrfeige für die Europäische Union, die im Sommer entschieden hatte, das Embargo für den gesamten EURaum aufzuheben. Von den Mitgliedsländern hatte sich seither nur Frankreich eindeutig geweigert, diesen Beschluss umzusetzen. Deutschland importiert das Beef zwar ebenso wenig, vertritt diese Position jedoch nicht offensiv, sondern spielte auf Zeit. Inzwischen haben sich die deutschen Gesundheitsminister von Bund und Ländern auf eine Aufhebung des Embargos bis zum kommenden Frühjahr eingelassen – das ist immer noch formal korrekt.

Frankreich droht dagegen nun ein europäisches Gerichtsverfahren – bereits am Dienstag will die EU-Kommission darüber beraten. Wie die Entscheidung ausfallen wird, daran ließ gestern EU-Kommissar David Byrne keinen Zweifel: Es gebe jetzt keine andere Möglichkeit mehr, als gerichtlich gegen Frankreich vorzugehen, sagte der für Gesundheit und Verbraucherschutz zuständige EU-Kommissar. Dabei, so Byrne, habe sich die EU-Kommission bemüht, einen Kompromiss zu finden. Tatsächlich sagte die Kommission unter anderem zu, künftig Stichproben mit einem verbesserten BSE-Test auch an britischen Rindern einzuführen, die keine klinischen Symptome des Rinderwahns zeigen. Damit soll geklärt werden, ob es an BSE erkrankte Rinder gibt, die unerkannt durch die Kontrollen kommen. Dies ist eines der Hauptargumente Frankreichs gegen das Embargo. Freilich werden bis zu diesen Tests noch einige Monate ins Land gehen. Und die Franzosen wird auch kaum beruhigt haben, dass die EU die Umsetzung der Kennzeichnungspflicht für Rinder verschleppt. Eigentlich sollte sie ab 1.1.2000 bindend sein – vom Bauern bis zur Kühltheke. Im Gegensatz zu Deutschland, dass traditionell kaum britisches Rind importiert, ist Frankreich vor BSE einer der großen Abnehmer gewesen.

Zu Hause findet die rot-rosa-grüne Regierung denn auch breite Zustimmung. Verbraucherorganisationen, französische Rinderzüchter und sogar die konservative Opposition lobten gestern die Regierung. Bloß die beiden französischen Kommissare in Brüssel stürzte der Beschluss in unbequeme Konflikte.

Eigentlich hatte sich die Regierung den politischen Affront gegen Brüssel ersparen wollen und auf ein klares Votum der französischen Lebensmittelkontrollbehörde Afssa gehofft. Doch die ExpertInnen hatten vor wenigen Tagen die Verantwortung weitergegeben. Sie stellten fest, „Risikoelemente“ bei britischem Beef seien „plausibel, wenngleich gegenwärtig nicht quantifizierbar“.

Atmosphärisch spielt dabei der unlängst vor Gericht verhandelte „Bluterskandal“ eine Rolle, in den zahlreiche sozialistische PolitikerInnen verwickelt waren. Sie hatten eben nicht im Sinne der Volksgesundheit entschieden und erst viel zu spät Blutkonserven zurückgezogen, die nicht auf Aids-Viren getestet waren – da waren bereits tausende von Blutern infiziert.

Frankreich, das nunmehr ganz allein gegen den Rest der EU steht, ist weltweit in guter Gesellschaft. Mehrere Dutzend Länder, darunter auch die USA und Südafrika, halten ebenfalls am Embargo fest.

Besonders erleichtert waren gestern jene Franzosen, die selbst oder deren Schulkinder alltäglich in Großküchen speisen. Denn sie hatten befürchtet, dass das zu erwartende britische Beef von den Großküchen als Billigfleisch massenhaft aufgekauft worden wäre. Teurere französische Restaurants hingegen hatten längst versichert: Unser Boeuf bourguignon bleibt französisch.

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