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Diepgen nimmt Schulhöfe ins Visier

■ Der Regierende Bürgermeister (CDU) spricht sich für eine Videoüberwachung auf Schulhöfen aus. Sowohl Schulsenator Böger (SPD) als auch Grüne, GEW und Schuldirektoren sprechen sich vehement dagegen aus

Nachdem es in den vergangenen Wochen in Sachsen und Bayern mehrere spektakuläre Fälle von Gewalt von Schülern gegen Lehrer gegeben hat, hat sich der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) für Videoüberwachungen von Schulhöfen in Berlin ausgesprochen. „Ich bin durchaus offen auch für eine Videoüberwachung der Schulhöfe“, sagte er gestern in einem Zeitungsinterview. „In dem Augenblick, in dem die Jugendlichen Repressionen befürchten müssen, werden sie reagieren. Diejenigen, die trotzdem Gewalt ausüben, kann man mit Videoaufzeichnungen dingfest machen“, so Diepgen.

Obwohl in der CDU Einigkeit darüber besteht, dass die Videoüberwachung öffentlicher Gebäude ein probates Mittel zur Verringerung von Gewalt sei, wird Diepgens Überlegung, dass „ein Lehrer während der Pause möglicherweise vor einem Bildschirm sitzen kann“, nicht voll mitgetragen. Roland Gewalt, der innenpolitische Sprecher, befürwortet zwar den Einsatz von Kameras als „zusätzliches Mittel“. Doch: „Wir brauchen Lehrer vor Ort, die die Aufsicht leisten.“ Innensenator Eckart Werthebach (CDU) hatte Anfang Dezember erklärt, dass er Kameras auf Pausenhöfen nicht für sinnvoll hält.

Schulsenator Klaus Böger (SPD) lehnt Diepgens Vorschlag entschieden ab. „Die Aufsichtspflicht haben Lehrer und nicht Maschinen“, sagte seine Sprecherin Rita Hermanns. Konflikte müssten im Vorfeld entschärft werden. Außerdem gebe es „immer Möglichkeiten, die Kameras zu überlisten“. Hermanns betonte zudem, dass an Schulen nur 3,7 Prozent aller Straftaten Berliner Jugendlicher begangen werden.

Auch bei den Schulleitern dürften Diepgens Äußerungen kaum auf Zustimmung treffen. Der Rektor der Kreuzberger Reinhardswaldschule, Werner Munk: „Wenn der Staat so weit geht, an Orten, wo Werte vermittelt werden sollen, Videokameras einzusetzen, rührt das an mein Demokratieverständnis“, sagte er. Der Direktor der Kreuzberger Carl-von-Ossietzky-Gesamtschule, Gerhard Rähme: „Schulen haben andere Möglichkeiten.“ Wichtig sei eine enge Kooperation zwischen Lehrern und Schülern. „Das hat sich wunderbar bewährt.“

Der schulpolitische Sprecher der Grünen, Özcan Mutlu, spricht von einem „Irrglauben, dass Kameras Gewalt verringern können“. Stattdessen sollten junge Menschen, die mit dem Gesetz in Konflikt geraten und rehabilitiert sind, an Schulen eingeladen werden. „Jemand, der durch die Hölle gegangen ist, ist viel authentischer.“

Sanem Kleff, stellvertretende Landesvorsitzende der GEW, bezeichnet Diepgens Äußerungen als „sehr praxisfern“. Die ehemalige Lehrerin beklagt zudem, dass das Thema Gewalt an Schulen „hochstilisiert“ werde. „Die Gewalt nimmt nicht zu“, sagte sie. Die meisten Taten unter Schülern ereigneten sich zudem außerhalb des Schulgeländes.B. Bollwahn de Paez Casanova

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