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Europäischer Gerichtshof rührt an deutsches Tabu

Der EuGH entscheidet heute, ob die Bundeswehr für Frauen geöffnet werden muss

Freiburg (taz) – Wie das Kaninchen auf die Schlange schaut die deutsche Politik heute nach Luxemburg. Erwartet wird, dass der Europäische Gerichtshof (EuGH) eine weitgehende Öffnung der Bundeswehr für Frauen fordert. Gut gerüstet ist dafür nur die FDP. Sie hat im letzten Sommer eine entsprechende Änderung des Grundgesetzes beantragt.

Ausgelöst wurde der Rechtsstreit von der 23-jährigen Energieanlagen-Elektronikerin Tanja Kreil. Im Herbst vor drei Jahren suchte sie nach ihrer Lehre einen sicheren Arbeitsplatz und bewarb sich bei der Bundeswehr. Doch ihre Bewerbung wurde erst gar nicht angenommen – weil sie eine Frau ist. Weibliche Soldaten gibt es in Deutschland nämlich nur im Sanitätsdienst und im Militärmusikkorps. Die kämpfende Truppe ist für Frauen bislang tabu.

Tanja Kreil war über die pauschale Absage wütend („Ich kam mir vor wie im Mittelalter“) und zog mit Unterstützung des Bundeswehrverbands vor Gericht. Bisher mit einigem Erfolg. Das Verwaltungsgericht Hannover legte ihren Fall dem EuGH zur Begutachtung vor, da eine EU-Richtlinie aus dem Jahr 1976 die Benachteiligung von Frauen im Arbeitsleben verbietet. Die Frage lautet: Ist der weitgehende Ausschluss von Frauen aus der Bundeswehr mit Europarecht zu vereinbaren?

Es gibt zwei starke Indizien dafür, dass der EuGH zugunsten Kreils entscheiden wird. Im Oktober hat er in einem englischen Fall bereits festgestellt, dass die EU-Gleichstellungs-Richtlinie auch im Bereich der Streitkräfte gilt. Es könne hier nur Ausnahmen geben, wenn das Geschlecht „unabdingbare Voraussetzung“ für die Ausübung der konkreten Tätigkeit sei. Im damaligen Fall hielt der EuGH allerdings den Ausschluss von Frauen aus einer Eliteeinheit der britischen Sturminfanterie für zulässig. Die viel weitgehenderen Restriktionen in Deutschland werden dagegen kaum als „unabdingbar“ akzeptiert werden.

Auch der zuständige Generalanwalt am EuGH, Antonio La Pergola, plädierte in seinem Schlussantrag für eine Öffnung der Bundeswehr. Die deutsche Regierung habe nichts vorgetragen, was einen „allgemeinen“ Ausschluss von Frauen rechtfertige. Schließlich seien Frauen auch bei Polizei und Bundesgrenzschutz mit Waffen ausgestattet. Und in der Zivilverwaltung der Bundeswehr arbeiteten ebenfalls viele Frauen.

Als Folge des erwarteten EuGH-Urteils muss zumindest das deutsche Soldatengesetz geändert werden. Ob auch das Grundgesetz einer Änderung bedarf, ist dagegen umstritten. Derzeit heißt es in Artikel 12a: „Sie (die Frauen) dürfen auf keinen Fall Dienst mit der Waffe leisten.“ Im textlichen Zusammenhang sind mit diesem Satz allerdings nur Zwangsdienste angesprochen. Und da niemand Frauen zwangsweise in der Bundeswehr einsetzen will, könnte die Aussage eigentlich so stehen bleiben. Andererseits war der Bundestag bei der Einführung des Artikels im Jahr 1957 tatsächlich von einem weitergehenden Inhalt ausgegangen, danach hätten Frauen in der Bundeswehr generell nichts zu suchen gehabt.

Schon deshalb halten viele Beobachter eine zumindest klarstellende Änderung des Grundgesetzes für notwendig. Ein entsprechender Gesetzentwurf der FDP wurde bei der ersten Lesung im November allerdings recht reserviert aufgenommen. Sprecher von SPD und CDU sprachen von einem „Schnellschuss“ und wollten erst das EuGH-Urteil abwarten.Christian Rath

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