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It’s a Sony

Das Sony Center eröffnet seinen Entertainmentbereich. Der ganze Komplex sieht aus wie ein Elektronikprodukt  ■ von Rolf Lautenschläger

Das Sony-Center ist wie eine modernistische Playstation, in der man sich amüsieren, Geld verlieren und verdienen kann

Waren Sie schon einmal eine leibhaftige Compact Disk? So eine, die auf den Wagen eines CD-Players gelegt wird, um sanft ins Innere einer elektronischen Musikbox zu fahren? Noch nicht? In Berlin kann man das jetzt mit sich machen lassen. Man muss nur den Potsdamer Platz überqueren und sich vom Wind zwischen die neuen Architekturen des Sony Centers wehen lassen.

Es geht vorbei an schnittigen Baukörpern und gläsernen Häusern im Hightech-Design. In der Mitte des dreieckigen Ensembles trifft man auf einen runden Platz, die Piazza, die von Gebäuden im Stil riesiger Lautsprecherboxen umstellt und von einem Zeltdach überspannt wird. Dort dreht man sich im Kreis wie die Scheibe, und Musik dröht vom Entertainment-Center herüber. Wohin man blickt: „It’s a Sony“.

Die berüchtigte Berliner Schnauze hat für das 26.000 Quadratmeter große Sony-Areal, das gestern seine 8 Multiplex-Kinos, Imax-3-D-Filmtheater samt Musik-Playstations eröffnet hat und im Sommer fertiggestellt sein wird, schon jetzt einige Spottnamen parat. „Regenschirm“ lautet einer, wegen des zentralen Zeltdachs. „Gläserner Buddha“ ein anderer, wegen der Masse aus Glas und Stahl.

Besser wäre jedoch der Nickname „CD-Zen-Kloster“, ist doch das Büro- und Unterhaltungs-Ensemble des Architekten Helmut Jahn (Chicago) ein bauphilosophisches Phänomen. Feng-Shui, die Harmonie aus Geist und Materie, hat Jahn zwar durch das Ritual locker im Kreis angeordneter Baukörper versucht zu gestalten. Das Zitat der Sushi-Rolle findet sich in der Mitte des Komplexes auf dem runden Platz. Und dass durch japanische Häuserblocks immer Wind wehen muss, damit die bösen Geister den Weg wieder hinausfinden, ist beim Sony Center ebenfalls erfüllt. Die sieben Gebäude, ein 26-stöckiges Hochhaus und sechs 10-geschossige Film- und Bürogebäude – darunter das Sony-Headquarter Germany – werden von breiten Wegen getrennt. Die Geister können bei Sonys also wieder rausfahren.

Mehr als ein japanischer Glaskomplex ist das Sony Center jedoch ein Unterhaltungstempel für technologische und freizeitorientierte Gläubige, die dem Sony-Buddha Geld und sonst nichts opfern sollen.

Es ist kein Zufall, dass sich der Elektronik-Riese mit einem Jahresumsatz von rund 56 Milliarden Dollar (Bilanz 1998/99) eine bauliche Corporate Identity am Potsdamer Platz geschaffen hat, die im Design und der Ausstattung den Produkten des Konzern ähnlich sehen: eine glatte Oberfläche, Hightech-Konstruktionen, eine supermoderne Maschine für 1,6 Milliarden Mark mit einem nicht weniger supermodernen Innenleben etwa für die Filmtheater und das neue Filmhaus inklusive der Mediathek. Kritiker haben zu Recht angemerkt, dass die gleichförmige strenge Architektursprache des baulichen CD-Players auf nichts anderes verweist als auf sich selbst: das Sony Center als riesiges architektonisches Ausstellungsstück des japanischen Unternehmens – „It’s a Sony“.

Viel schwerer als die kalte Architektur am Potsdamer Platz wiegt aber der Städtebau des neuen Sony Centers. Im Vergleich mit dem benachbarten Debis-Gelände und seinen unterschiedlichen Bauten und Straßen stellt das Sony-Areal eine autistische Erlebniswelt dar, die mit Stadt nichts zu tun hat. Vom ursprünglichen Plan, den neuen Potsdamer Platz wieder zu einem großtädtischen Ort mit differenzierten Bauten zu machen, wie es noch 1991/92 vorgesehen war, hat sich der Konzern mit seiner monostrukturierten Bauweise schon 1995 verabschiedet. Um Sony fährt man herum wie um einen hermetischen Block, bemerkte einmal ein Bauhistoriker. Zu Sony hinein geht man wie in einen modernistischen Spielsalon. Wie in diesem kann man sich dort unterhalten, sich amüsieren, dort arbeiten, Geld verlieren und verdienen. Wie in einem solchen wachen bei Sony Objektschützer über die Häuser und seinen Platz, der nur halb öffentlich ist und nachts gesperrt werden soll.

Dass Sony sich schmückt mit der Behauptung, ein städtebauliches Ensemble des 21. Jahrhunderts geschaffen zu haben, mag man unter Firmenwerbung abhaken. Es wäre schön, wenn dies herausgekommen wäre; auch als mögliche Kurskorrektur am Potsdamer Platz. Als bauliche CD-Playstation hingegen fungiert das neue Areal kaum mehr als Schallraum für Entertainment. It’s a Sony!

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