: Mysteriöse Urinprobe
Mit Morphium zum Sieg getrabt? Ein Trainer steht vor dem Hamburger Amtsgericht, weil er sein Pferd gedopt haben soll ■ Von Elke Spanner
Damals, „da liefen Hühner“. Nur so kann sich Manfred B. erklären, dass sein Traber „No Marking“ das Rennen gewann: „Das ist kein Siegerpferd.“ An Doping jedenfalls kann es nicht gelegen haben, sagt der Traber-Trainer in rheinischem Slang und wischt den Verdacht mit einer verächtlichen Handbewegung beiseite. Zum einen sei der Wallach gar nicht viel schneller gelaufen als sonst, und im übrigen habe er ihn überhaupt nicht gedopt. Und trotzdem fand die Rennleitung der Bahrenfelder Trabrennbahn am 14. November 1996 im Urin von „No Marking“ Morphium. Nachdem Manfred B., „Trainer und Fahrer, Besitzer ist meine Schwiegermutter“, soeben eine Siegesprämie von 1600 Mark kassiert hatte.
Reinhard Kloß, Richter am Amtsgericht Altona, breitet drei Möglichkeiten vor dem Traber-Trainer aus Mönchengladbach aus: Entweder hat Manfred B. selber sein Pferd gedopt, „es ging um nicht viel, aber immerhin um 1600 Mark“. Oder „No Marking“ wurde vorher ein Medikament verabreicht, von dem er Morphium als Restbestand ausgeschieden hat, „aber dann müssten Sie wissen, was“. Denkbar wäre natürlich auch, bietet er dem Angeklagten an, „jemand schiebt Ihnen was unter, um Ihren Rennstall in Misskredit zu bringen“. Manfred B. nickt eifrig, als sei er erleichtert, dass beim Richter nun endlich der Groschen gefallen sei. Eine Idee, wer es gewesen sein könnte, hat er aber nicht.
Mehrere Stunden, führt er aus, habe er sein Pferd allein in der Box gelassen, die er für diesen Renntag auf dem Bahrenfelder Gelände gemietet hatte. Er selbst war Essen, und als er wiederkam, hätten in dem Stall mindestens zehn Leute ihre Pferde ausgespannt. Dann habe er „No Marking“ auf das Rennen vorbereitet mit allem, „was halt wichtig ist für 'nen Traber“. Auf Nachfragen antwortet er in einem erstaunten Ton, als sei von einem Amtsrichter aus Hamburg-Altona nun wirklich zu erwarten, dass er sicher mit Vokabeln wie „Geläuf“ und „Heat“ jongliert.
Doch wenn jemand dem Trainer Schaden hätte zufügen wollen, gibt der Richter zu bedenken, hätte zumindest sicher sein müssen, dass „No Marking“ an jenem Tag kontrolliert wird, und dem war nicht so. Die Ziele der Dopingkontrollen werden am Renntag von der Rennleitung ausgelost, und auf die Frage, ob er damit gerechnet hatte, dass ausgerechnet seinem Pferd Urin abgezapft wird, antwortet Manfred B. mit einem knappen und entschiedenen „Nö“.
Der Prozess wird fortgesetzt.
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