: Auf der Suche nach der schwarzen Bestechlichkeit
Obwohl viele Zeugen schweigen, kommt der Untersuchungsausschuss zur Spendenaffäre langsam, aber sicher voran. Neue Erkenntnisse stammen vor allem aus brisanten Akten
BERLIN taz ■ Sind Entscheidungen der Kohl-Regierung durch Spenden und Schmiergelder beeinflusst worden? Wurde dabei gegen das Parteiengesetz oder anderes Recht verstoßen? Das versuchen die fünfzehn Mitglieder des Untersuchungsausschusses zur CDU-Spendenaffäre seit vier Monaten zu klären.
Entgegen allen Unkenrufen kommen sie dabei langsam, aber sicher voran. Zwar brachten die Aussagen der geladenen Zeugen nur selten neue Erkenntnisse. Aber die Lektüre der brisanten Unterlagen, die dem Ausschuss zur Verfügung stehen, habe Einblicke in das bislang ungeahnte Ausmaß des CDU-Spendensumpfs ermöglicht, sagt der Ausschussvorsitzende Volker Neumann (SPD). Vorgestern war es zum Beispiel nicht die Aussage des ehemaligen CDU-Chefs Schäuble, die für Überraschung sorgte, sondern ein Brief des Ex-Schatzmeisters Leisler Kiep an Kohl. Darin setzt sich Kiep für die Errichtung einer Thyssen-Panzerfabrik in Kanada ein, ein Projekt, das Waffenhändler Karlheinz Schreiber initiiert hatte – erwiesenermaßen einer der Großspender an die CDU. Damit, so Neumann, sei man dem Nachweis der Bestechlichkeit schon ziemlich nahe gekommen.
Bereits vor einigen Wochen hatte der in Sachen Schreiber und Kiep zuständige Augsburger Staatsanwalt Winfried Maier vor dem Ausschuss gesagt: „Im Laufe des Verfahrens“ sei bei ihm „der Gedanke gereift“, das vorhandene Material „könnte durchaus den Verdacht der Bestechung und der Vorteilsnahme rechtfertigen“. Gegen Schreiber und den ehemaligen Staatssekretär Holger Pfahls wurden inzwischen Haftbefehle wegen Bestechung ausgestellt.
Meterweise Aktenordner sind dem Untersuchungsausschuss zugegangen: von der Augsburger und der Bonner Staatsanwaltschaft, die gegen Kohl ermittelt; Akten des ehemaligen Treuhand-Untersuchungsausschusses über die Privatisierung der Raffinierie Leuna. Kann man damit die Wahrheit herausfinden? Neumann hält es für möglich – mit Hilfe strapazierfähiger Mitarbeiter, vielen Nachtschichten und ein wenig Glück. Für den SPD-Mann ist dies der vierte Untersuchungsausschuss, er kennt das Problem der überzogenen Erwartungen. Deshalb verkündete Neumann vor der ersten Sitzung des Ausschusses, „konkrete Ergebnisse“ werde es wohl erst in zwei Jahren geben.
Neumann wurde schon mehrmals von den Grünen kritisiert: Er verhindere, dass die Zeugen von den Abgeordneten richtig in die Mangel genommen würden. Bei der Schäuble-Befragung kam es fast zum Eklat: Neumann entzog dem Obmann der Grünen, Ströbele, das Fragerecht, als es für den Zeugen Schäuble gerade eng wurde. Kritik wurde auch an der Praxis laut, an einem Tag immer mehrere Zeugen zu laden.
Eine schwierige Rolle hat Andreas Schmidt, der Obmann der CDU, im Ausschuss. Er war loyaler Kohl-Anhänger, bis das System der schwarzen Konten aufflog, und muss nun seine eigenen Parteifreunde zwiebeln, wenn sie als Zeugen geladen sind. Das bereitet ihm sichtliches Unwohlsein. Von Anfang an war Schmidt sicher, „dass Kohl als deutscher Patriot nie käuflich gewesen ist“.
Die Vernehmungen der ehemaligen CDU-Generalsekretäre Rühe und Geißler und von Ex-Kanzleramtsminister Bohl haben nicht viel gebracht. Angeblich wussten sie so gut wie nichts vom unsauberen Finanzgebaren der CDU. Als Schlüsselfiguren gelten der ehemalige CDU-Finanzjongleur Horst Weyrauch und CDU-Hauptabteilungsleiter Hans Terlinden. Beide haben die Aussage verweigert, weil gegen sie Verfahren wegen Beihilfe zur Untreue laufen. Für Terlinden hat der Untersuchungsausschuss nun Beugehaft beantragt. Ende Juni wird Helmut Kohl als Zeuge geladen. Angeblich will er die Aussage nicht verweigern. Es wird also noch richtig spannend werden. TINA STADLMAYER
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