: Master für Multikulti
Aufbaustudiengang an der FU soll junge Lehrer fit machen für den multikulturellen Schulalltag
von NADINE KRAFT
„Berlin ist so multikulturell. Aber wie zwischen den Kulturen vermittelt werden kann, lernt man im Lehramtsstudium nicht.“ Berno Jannis Lilge sieht sich als geeigneten Vermittler zwischen den verschiedenen Kulturen unter Schülern, schließlich ist er selbst ein multikultureller Typ. Mutter Griechin, Vater Deutscher, geboren in Dresden, in der DDR und in Griechenland aufgewachsen. Seit zehn Jahren lebt er wieder in Berlin. Nach dem Staatsexamen als Grundschulpädagoge bekam er jedoch kein Referendariat. „Auf der Suche nach einer Beschäftigung entdeckte ich den Aufbaustudiengang Interkulturelle Erziehung“, erzählt Lilge.
Die Freie Universität (FU) bietet das einjährige Aufbaustudium erst seit Oktober an. Themen sind unter anderem Migration, Erziehung in multikulturellen Gesellschaften oder sozialer Ausschluss von Minderheiten. Als Abschluss gibt es einen an internationalen Mustern ausgerichteten Master. „Die Europäische Kommission hat die Idee entwickelt, völlig neue Master-Studiengänge zu schaffen, die in möglichst vielen europäischen Ländern mit gleichem Inhalt und Abschluss angeboten werden“, erzählt Gerd Hoff, Direktor des Instituts für Interkulturelle Erziehungswissenschaften.
Gemeinsam mit der Uppsala Universitet Schweden und dem Aristoteleio Panepisti-mio Thessaloniki ist die FU auf diesen Zug gesprungen. Lehrer würden bisher, so Hoff, auf die „nicht zu unterschätzenden Schwierigkeiten multikultureller Erziehung nicht vorbereitet“. Ein Beispiel aus dem Deutschunterricht verdeutlicht das Problem. Muttersprachler haben Bilder für Begriffe im Kopf, die Kinder nichtdeutscher Herkunft nicht kennen. „Sie können sich unter Blume keine Pflanze vorstellen, sondern müssen das neue Wort auswendig lernen“, erläutert Hoff. Der Studiengang soll nun solche Probleme erklären und somit zur Sensibilisierung der Lehrer für andere Unterrichtsmethoden beitragen.
Berno Jannis Lilge erhofft sich mit der Spezialausbildung größere Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Seine zukünftige Arbeitsstelle sieht er beispielsweise in so multikulturellen Stadtbezirken wie Neukölln oder Kreuzberg. „Aber wenn ich in Köpenick eine Stelle bekäme, würde ich die Schüler dort auch nicht in ihrem Mikrokosmos lassen, sondern ihnen die vielen verschiedenen Kulturen in Berlin nahe bringen“, so der angehende Lehrer.
Ob ihm diese Überzeugungen und seine Zusatzqualifizierung wirklich weiterhelfen, ist noch fraglich. Bisher ist die Qualifizierung offiziell nicht anerkannt. Die acht Abgänger des ersten Durchgangs werden also auch nicht bei der Stellenvergabe bevorzugt. Wann die Schulbehörde vom Schema F abweicht, ist noch offen. Obwohl das Abgeordnetenhaus bereits im September beschlossen hatte, dass sich die Berliner Schulen auf die interkulturellen Situationen einstellen müssten, kann Rita Hermanns, Pressesprecherin der Schulverwaltung, zur Bewerbersituation der Master-Studenten nichts Genaues sagen. Nur so viel: Einstellungen hingen grundsätzlich von verschiedenen Dingen wie Noten, Qualifizierungen oder der sozialen Situation des Bewerbers ab.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen