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Mayday in Hellersdorf

Verwaltungsgericht verbietet Antifa-Demo gegen den Nazi-Aufzug am 1. Mai in Hellersdorf.Beschluss über NPD-Demo fällt heute. Polizei befürchtet, dass Hellersdorf zum Brennpunkt wird

von PLUTONIA PLARRE

Die Eskalation am 1. Mai in Hellersdorf scheint vorprogrammiert. Das Verwaltungsgericht hat gestern das Verbot der Antifa-Demonstraion gegen den NPD-Aufmarsch bestätigt. Eine Entscheidung über die Nazi-Demo soll heute fallen. Die Konfrontation einer erlaubten NPD-Demo mit verbotenen Gegenprotesten gilt bei der Polizei als schlimmste aller Möglichkeiten.

Das Gericht kam zu der Ansicht, aus den Aufrufen und Publikationen der Antifaschistischen Aktion Berlin (AAB) gehe hervor, dass eine gewaltsame Störung der NPD-Demonstration geplant sei, um diese zu verhindern. Dies sei rechtswidrig, weil davon eine „erhebliche Gefährdung“ der öffentlichen Sicherheit ausgehe, so das Gericht.

Nach den Erfahrungen der vergangenen Wochen ist davon auszugehen, dass das für eine sehr grundrechtsfreundliche Rechtsprechung bekannte Gericht heute das Verbot der Polizei aufhebt und die NPD unter dem Motto „Arbeit zuerst für Deutsche“ marschieren lässt. Mit dieser Entscheidung steht und fällt die gesamte Einsatzplanung der Polizei für den 1. Mai. Wenn das Gericht das Verbot aufhebt und die Rechtsextremen wirklich demonstrieren, droht Hellersdorf zum absoluten Brennpunkt zu werden. Ein erlaubter NPD-Aufmarsch und eine verbotene Gegendemonstration seien ungefähr das Schlimmste, was am 1. Mai passieren könne, sind sich Sicherheitsexperten einig. Denn damit sei so gut wie vorprogrammiert, dass es in Hellersdorf zu Ausschreitungen komme. Der Funke könnte leicht auf die am Abend in Kreuzberg stattfindenden revolutionären Mai-Demonstrationen überspringen.

Der Vorsitzende des Gesamtpersonalrats der Polizei (GPR), Uwe Hundt, ist davon überzeugt, dass sich „gewaltbereite Autonome“ nicht durch das Verbot der AAB-Demonstration abschrecken lassen. „Sie werden trotzdem in Kleingruppen nach Hellersdorf kommen, um die direkte Auseinandersetzung mit den Rechtsextremen zu suchen“, glaubt Hundt. Er sieht die große Gefahr, dass einige Autonome „aus Wut richtig loslegen“, wenn die NPD demonstrieren dürfe und sie nicht. „Das kann eine ganz böse Geschichte werden.“

Die Polizei habe in so einem Fall den Auftrag, gegen Straftäter vorzugehen und NPD-Demonstranten zu schützen, weil diese vom Grundrecht auf Versammlungsfreiheit Gebrauch machten.

Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Eberhard Schönberg, spricht von einem no winning game für die Polizei. „Egal wie der Tag ausgehen wird, wir haben die A-Karte.“ Selbst wenn alles friedlich bleibe, „wird es heißen, die Polizei hat die Faschisten geschützt“. Aber nicht nur deshalb drohe der Polizeieinsatz zu einem unangenehmen und ausgesprochen schwierigen Unterfangen zu werden. Schönberg und Hundt gehen davon aus, dass sich militant gesinnte Gegendemonstranten unter die friedlichen Teilnehmer des multikulturellen Straßenfestes mischen werden, um aus der Deckung heraus gegen die NPDler vorzugehen. Die Folge: Die Polizei müsse die Unfriedlichen aus der an sich friedlichen Menge herausholen. „Die Erfahrung hat gezeigt, dass ein Straßenfest dadurch ganz leicht kippen kann.“

Das Kulturfest wird von einem breiten Aktionsbündnis gegen rechts unter der Leitung des Hellersdorfer Bezirksbürgermeisters Uwe Klett (PDS) organisiert. Klett hat mehrfach betont, dass mit dem Fest ein gewaltfreies Zeichen gegen die Braunen gesetzt werden solle. „Krawall wird weder von uns noch von der Polizei toleriert.“ Schönberg spricht von einer sehr brenzligen Situation, wenn die Rechten und Linken aufeinander träfen. „Die Polizei steht mittendrin. Das wird schwieger als jede revolutionäre Mai-Demonstration, denn da gibt es keine Gegendemonstranten.“

Rund um den 1. Mai stehen 6.000 Beamte für den Fall bereit, dass es zu Straßenschlachten kommen sollte. In den vergangenen 13 Jahren ist es während oder nach der Revolutionären 1.-Mai-Demonstration regelmäßig zu Krawallen gekommen, die von der Polizei häufig mit verursacht worden waren. Diesmal will die Polizei nach eigenen Angaben verstärkt auf Deeskalation setzen, um den Kreislauf der Gewalt zu durchbrechen.

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