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Die zweite Wiedervereinigung

Die CDU schließt Frieden mit Helmut Kohl. Die Partei will wieder mehr auf sein politisches Gesamtwerk blicken als auf Finanzpraktiken und Aktenführung

von TINA STADLMAYER

Helmut Kohls Auftritt vor dem Untersuchungsausschuss habe ihn „mit Trauer erfüllt“, sagte der Sonderermittler der Bundesregierung, der FDP-Politiker Burkhard Hirsch: Kohl zerstöre sich selbst. So wie Hirsch ging es wohl vielen Mitgliedern der ehemaligen Regierungskoalition. Doch außer Friedbert Pflüger und Heiner Geißler wagte niemand in der CDU laute Kritik am Auftritt des Alten. Die beiden bekannten Kohl-Kritiker waren die einzigen, die ihn aufforderten, endlich die Namen der anonymen Spender zu nennen. Die Kohl-Verehrerin Vera Lengsfeld lobte den Altbundeskanzler sogar für seinen peinlichen Auftritt: Seine „offene Verteidigungsstrategie sei „imponierend“.

Die beiden Unions-Mitglieder im Untersuchungsausschuss, Andreas Schmidt und Hans-Peter Friedrich, warfen den Abgeordneten von SPD und Grünen unisono vor, es gehe ihnen nur darum, „16 Jahre der Regierung von Altkanzler Kohl zu beschädigen“. Kurz vor Kohls Auftritt hatte der Unions-Fraktionsvorsitzende Friedrich Merz getönt: „Wir werden nicht zulassen, dass das politische Lebenswerk von Helmut Kohl zerstört wird.“ In der CDU sind die Reihen wieder fest geschlossen.

Am Donnerstag war aufgeflogen, dass sich die CDU-Ausschussmitglieder Andreas Schmidt und Dietmar Schlee regelmäßig vor den Sitzungen des Gremiums mit Helmut Kohl abgesprochen hatten. Offenbar gab Kohl Weisung, was gefragt werden darf und was nicht. „Das System Kohl funktioniert noch immer“, resümierten die Zeitungen.

Tatsächlich hat „Der Dicke“, wie sie ihn nennen, noch gewichtigen Einfluss auf die Geschicke der CDU. Er kann sich auf eine Reihe von Getreuen in der Fraktion und in der Parteizentrale verlassen. Von den Mitgliedern vertrauen im nach wie vor viele blind. Die neue Vorsitzende Angela Merkel weiß das. Deshalb hat sie die Phase der „schonungslosen Aufklärung“ über den Parteispendenskandal für beendet erklärt. Deshalb will sie auch nicht mehr „den Stab brechen“ über Kohl. Sie hat erkannt, dass es gut war, sich von ihm zu distanzieren, um Parteivorsitzende zu werden. Jetzt ist sie es und will den Laden zusammenhalten.

Beim Essener Parteitag im April schwärmte sie: „Ihr Werk, lieber Helmut Kohl, bleibt historisch überragend.“ Der Patriarch freute sich und schickte ein Telegramm: „Viel Glück und Gottes Segen.“ Dem US-amerikanischen Präsidenten Clinton versicherte Merkel Anfang Juni, die Wiedervereinigung zwischen Kohl und seiner Partei sei im Gange. Natürlich nützte es Kohls beschädigtem Image enorm, dass sich Clinton und wenig später der französische Präsident Jacques Chirac unbedingt mit ihm treffen wollten.

Auch in den Plenarrunden des Bundestages sitzt er wieder – mal selbstzufrieden lächelnd, mal dösend, wie eh und je. In der Fraktion ist Kohl zwar noch nicht aufgetaucht. „Er ist Mitglied der Fraktion und als solches jederzeit herzlich willkommen“, beteuerte jedoch Fraktionssprecher Thomas Raabe. Bei einem Spargelessen der Abgeordneten im brandenburgischen Schloss Diedersdorf wurde Kohl mit Beifall empfangen. Wolfgang Schäuble mag der Appetit vergangen sein. Schließlich war es sein Vorgänger, der die Intrige in Gang setzte, die zu Schäubles Rücktritt vom Parteivorsitz führte. „Das, was ich getan habe, war nicht schlimm“, soll Kohl laut Süddeutscher Zeitung gesagt haben: „Schlimm war das, was du getan hast.“ Damit meinte er, dass Schäuble 100.000 Mark von dem bayerischen Waffenhändler Karlheinz Schreiber annahm und er dafür möglicherweise Gegenleistungen erbrachte.

Noch vor wenigen Wochen hatten zahlreiche CDU-Abgeordnete gefordert, Kohl müsse, wie vom Parteiengesetz verlangt, die Namen der Spender nennen, die der Partei 2 Millionen Mark zukommen ließen. Doch inzwischen sind die Rufe leiser geworden, und die meisten Abgeordneten akzeptieren den Wiedergutmachungsversuch ihres ehemaligen Vorsitzenden. 8 Millionen hat Kohl inzwischen von – diesmal bekannten – Spendern gesammelt. Das ist zwar nur ein Bruchteil der Strafzahlungen, die der CDU wegen Kohls unsauberer Finanzpraktiken drohen. Trotzdem will sich die Partei bis zum 3. Oktober wieder ganz mit dem ehemaligen Ehrenvorsitzenden ausgesöhnt haben. Am zehnten Jahrestag der deutschen Einheit sollen, so Angela Merkel, „die Verdienste Helmut Kohls gewürdigt werden“.

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