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Misstöne im „Dreiklang der Gedenkstätten“

Die unterschiedlichen Funktionen von Mahnmal, Jüdischem Museum und „Topographie des Terros“ waren klar verabredet. Wenig davon blieb

Die Vorgang sollte Klärung bringen: Als Michael Blumenthal, Direktor des Jüdischen Museums Berlin, Ende Juni das Ausstellungsprogramm für den spekatulären „Libeskindbau“ präsentierte, erwarteten die Berliner Gedenkstättenleiter eine genaue Darstellung eines lang erhofften Konzepts. Doch die erhielten sie nur teilweise. Außer der „gesamten 2.000-jährigen Geschichte der Juden in Deutschland“, sagte Blumenthal, werde im Souterrain des Museums „ein spezifischer Gedenkort“ für die Opfer des Holocaust installiert, der den Charakter einer Gedenkstätte bilde. Die Reaktionen kamen postwendend: In „Konkurrenz zum geplanten Holocaust-Mahnmal“, erklärte Sibylle Quack, Mitglied der Kommission für das Mahnmal, dürfe das Jüdische Museum „nicht treten“. Mehrere gleichartige Erinnerungsstätten seien kontraproduktiv.

Vom einstmals verabredeten Funktions-Dreieck der großen NS-Gedenkstätten in Berlin – das Jüdische Museum als Spiegel des jüdischen Lebens, die „Topographie des Terrors“ am Standort des einstigen Gestapo-Hauptquartiers als „Ort der Täter“ und das Mahnmal zum Gedenken an die Opfer des deutschen Völkermords – ist wenig geblieben. Wer was ausstellt und mit welchen finanziellen Möglichkeiten operieren darf, ist offener denn je. Mitschuld an der Misere tragen nicht nur die Museumsdirektoren, die mit eigensinnigen Vorstößen die Koordinaten in der Gedenkstättenlandschaft durcheinander wirbeln. Außer Blumenthal forderte jüngst Andreas Nachama, einstiger Geschäftsführer der „Topographie“, „am Täter-Ort auch der Opfer zu gedenken“.

Als Hauptverantwortlicher steht indessen Kulturstaatsminister Michael Naumann da, der von der musealen Inszenierung des „Ortes der Information“ über dem Stelenfeld am Holocaust-Mahnmal nicht lassen will und damit mit dem Jüdischen Museum sowie den KZ-Gedenkstätten konkurriert. Statt eines „schlichten Ortes“, an dem Informationen über den Holocaust abgerufen werden können, wie ihn Quack oder der Topographie-Leiter Reinhard Rürup sehen, favorisiert Naumann noch immer den im Bundestagsbeschluss definierten „ergänzenden Ort der Information“ – was, wie das Kuratoriumsmitglied Hans-Joachim Otto meint, der finanziellen und thematischen Ausgestaltung aber keine Beschränkung auferlegt.

Zudem regiert Naumann per Portefeuille in die Gedenkstättendebatte hinein. Während der Bund ab 2001 das Jüdische Museum mit jährlich rund 20 Millionen Mark subventioniert, sind die Mittel für die „Topographie des Terrors“ und ein Konzept der KZ-Gedenkstätten Sachsenhausen und Ravensbrück noch offen. Gerade bei der „Topographie des Terrors“, der einzigen NS-Gedenkstätte mit dem klaren Konzept einer Täter-Dokumentation (SS, SD, Gestapo) und einem baulichen Entwurf des Architekten Peter Zumthor, mauert Naumann. Zwar glaubt Rürup nicht, dass „der Bund sich aus der Verantwortung herauszieht“. Tatsache aber ist, dass dieser – wie auch das Land Berlin – sich bis dato zu Mehrausgaben nicht bereit erklärt hat.

Bleibt Naumann bei seinem Quasi-Holocaust-Museum, ist zugleich ein Punkt erreicht, der eine Chance beinhaltet: nämlich der einer neuen Koordination der Konzepte. „Der Dreiklang zwischen den Gedenkstätten muss wiederhergestellt werden“, erklärt Salomon Korn, Mitglied im Zentralrat der Juden. Voraussetzung: „keine Konkurrenzen und ein kleiner Ort der Information“.

ROLF LAUTENSCHLÄGER

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