: Barak opfert Clinton seine Koalition
Die Einladung des US-Präsidenten zum Nahost-Gipfel stürzt Israels Regierung in die Krise. Dem Premier ist das egal
JERUSALEM taz ■ Der bevorstehende Nahost-Gipfel in den USA hat die israelische Regierung in eine Krise gestürzt. Nur Stunden nachdem Israels Ministerpräsident Ehud Barak und der palästinensische Präsident Jassir Arafat am Mittwoch die Einladung von US-Präsident Bill Clinton angenommen hatten, erklärten zwei israelische Koalitionsparteien ihren Austritt aus der Regierung. Nathan Scharansky, Chef der vier Mandate starken Immigrantenpartei Israel B’Aliya, will am kommenden Sonntag seine Kündigung einreichen. Ebenso kündigte die National-Religiöse Partei (NRP) den Austritt ihrer fünf Abgeordneten aus der Koalition an. Sie sprachen von einem „Ausverkauf des Landes Israel“.
Beim Gipfel in Camp David geht es um die nach Ansicht Barak schwierigsten Punkte im israelisch-palästinensischen Verhältnis: die endgültige Grenze zwischen Israel und dem künftigen Palästina, den Status von Jerusalem und die Rückkehr palästinensischer Flüchtlinge. Selbst wenn es nicht gelingen sollte, in diesen Fragen Einigkeit herzustellen, „dann haben wir es zumindest versucht“, meinte Barak. Doch genau vor einer solchen Situation fürchten sich offenbar die Palästinenser: Egal wie der Gipfel ausgeht, Barak werde der Gewinner sein und die Schuld für ein Nichtgelingen den Palästinensern zuschieben, so die palästinensische Befürchtung. Arafat hält an den noch immer nicht erfüllten Bedingungen fest, dass es eine Amnestie für Sicherheitsgefangene gibt und dass drei palästinensische Dörfer bei Jerusalem unter Autonomieverwaltung gestellt werden. Denkbar ist, dass die Israelis noch Anfang kommender Woche aus den drei fraglichen Dörfern abziehen werden.
Auch zu Jerusalem bestehen tiefe Kluften zwischen den beiden Konfliktparteien. Israel beharrt auf dem Status der „ewig jüdischen und ungeteilten Hauptstadt Israels“, während sich die Palästinenser „zwei Hauptstädte für zwei Staaten“ in Jerusalem wünschen. Möglich ist, dass die Israelis versuchen, den Streit um den künftigen Status der Stadt zunächst auszuklammern. Das lehnen die Palästinenser indes strikt ab.
Wenn in Israel die angedrohten Regierungsaustritte vollzogen werden, hält Barak nur noch 59 von 120 Mandaten im Parlament. Doch zeigte er sich gestern wenig beeindruckt: „Wenn es sein muss, fahre ich zum Gipfel, selbst wenn nur noch neun Minister hinter mir stünden und nur ein Viertel der Knesset-Abgeordneten.“ Dazu kommt es aber wohl kaum. Barak würde nämlich auch ohne die Stimmen der Immigranten und der National-Religiösen eine parlamentarische Mehrheit erreichen können, da ihm die Unterstützung der zehn Abgeordneten dreier arabisch-israelischer Parteien garantiert ist. Mit neuen Koalitionsverhandlungen ist deshalb vor dem Gipfel am kommenden Dienstag kaum zu rechnen, selbst wenn sich weiterer Protest aus den Reihen unzufriedener Koalitionäre regen sollte.
SUSANNE KNAUL
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