: NPD-Verbot kein Allheilmittel
■ NPD-Verbot unter Bremer MigrantInnen umstritten: PolitikerInnen anderer Parteien könnten damit auch von eigener Ausländerfeindlichkeit ablenken
Fast täglich neue Nazi-Attacken in Ostdeutschland, der Anschlag von Düsseldorf, – muss die NPD verboten werden, in deren Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten viele Neonazis eine politische Heimat gefunden haben? Das löst auch unter Bremer MigrantInnen lebhafte Diskussionen darüber aus, wie mit den Rechtsradikalen umzugehen ist. Bremen gilt zwar für AusländerInnen als relativ sicher, belegt aber in der Ländersta-tistik einen Mittelplatz mit sechs rechtsextremistischen Gewalttaten 1999 – dreimal so viele wie im Vorjahr. Von den Westländern stehen – gemessen an ihrer Einwohnerzahl – nur Hamburg und Niedersachsen schlechter da.
„Die NPD muss weg“, sagt Ali Kasarci aus Gröpelingen. „Anscheinend haben die Deutschen vergessen, was in der Nazi-Zeit passiert ist. Aber bei jedem Fehler in der Türkei schreien sie: Menschenrechte!“. Er zeigt die Vortags-Ausgabe des Massenblatts „Hürriyet“, in der die Erinnerung an die frühen Neunzigerjahre beschworen wird: „Solingen: Wo ist Kohl gewesen?“, so die Schlagzeile. Die aktuelle Ausgabe titelt mit Waffenfunden bei deutschen Neonazis. Kasarci hält es für möglich, dass sich die Türken auch bewaffnen. „Wenn was passiert, haben wir in zwei Stunden 2.000 Leute zusammen. Vielleicht gibt es in Ostdeutschland einfach zu wenige Ausländer.“
„Gewalt gegen Gewalt bringt doch nichts“, wendet Ahmet Yilmaz ein, der seit seiner Kindheit in Bremen lebt. Aber auch von einem Parteiverbot hält er nichts: „Das macht alles nur schlimmer. Die Nazis werden in den Untergrund gedrängt.“ Das glaubt auch Navideh Kulahi. „So was geht gegen mein demokratisches Empfinden“, sagt die Leiterin der Berufsberatung für Migrantinnen (Mibop). Auch Halil Çimen findet: „Die NPD kann man wenigstens kontrollieren. Im Untergrund sind die Nazis viel gefährlicher.“ Stattdessen fordert er verstärkten Polizei-Einsatz gegen die Rechten. „Aber Bremen ist ganz sauber“, sagt der Weißhaarige. Bitter lächelnd schiebt er einen „Sabah“-Artikel zwischen die Teegläser, der noch einen anderen Weg aufzeigt: Ein Foto zeigt das Ortsschild von Eschweiler, auf dem die Gemeinde den Zusatz „hat keinen Platz für Rassismus“ anbringen ließ.
„Das Problem des Rassismus muss schon in Kindergarten und Schule angegangen werden“, findet ein Mann, der zum Freitagsgebet in die Fatih-Moschee kommt. Auch wenn er noch nie angegriffen wurde, spürt er die Ablehnung der Menschen täglich. Als er einmal eine Rentnerin fragte, warum sie sich in der Bahn nicht neben ihn setzt, bekam er zur Antwort: „Damit Sie mir nichts aus der Tasche klauen können.“ Eine Lösung sieht der Mediziner in mehr Gleichberechtigung für Ausländer in Deutschland. Bei einem NPD-Verbot fürchtet er die Zunahme von Gewalt. Außerdem meint der Mann, der vor vier Jahren nach Deutschland kam, eine Demokratie müsse Minderheitenmeinungen aushalten. Diese Meinung vertritt auch Djaffar Khosravi vom Rat der iranischen Flüchtlinge. „Ich halte es mit Rosa Luxemburg. Die Freiheit ist die Freiheit der Andersdenkenden.“ Im Übrigen „sind Politiker die Haupt-Extremisten“. Deren Parolen: „Das Boot-ist-voll“ und „Flüchtlinge-arbeiten-nicht-und-kriegen-so-viele-Kinder“, schafften die Grundlage für die brutalen Neonazis. Das glaubt auch der Migrationsreferent im Lagerhaus, Recai Aytas. „Bei jeder Wahl werden ausländerfeindliche Slogans eingesetzt“, sagt er. Alle Politiker müss-ten da vorsichtiger werden, so der Kurde. Der Tamile Viraj Mendis geht weiter: „Die größte Angst haben Flüchtlinge in Deutschland vor der Abschiebung. „Im Vergleich zur Regierung sind die Nazis ein Kindergarten.“ Ein NPD-Verbot werde es den Rassisten der anderen Parteien erleichtern, sich selbst reinzuwaschen.
Viele andere Zuwanderer aus der Türkei wollen dagegen ein NPD-Verbot. Für Hasan Sarialioglu wäre Grund genug dafür, dass „die Leute Angst haben“ – auch wenn Bremen seiner Meinung nach „die ruhigste Stadt“ ist. Am Nachbartisch im Vatan Sport Club sitzt Sahin Habib aus München, der hier seinen Vater besucht. Seit er den deutschen Pass hat, muss er sich zwar nicht mehr auf Ämtern schikanieren lassen, aber abends geht er in ganz Deutschland nur mit Angst auf die Straße. Ausländerhass sieht er „nicht nur bei Nazis, sondern ebenso bei CDU und CSU“. Trotzdem hält er ein Verbot der rechtsradikalen NPD für richtig. Für seinen Vater, einen Ex-Vulkanesen, gehören die „Nazis ebenso verboten wie die PKK – weil beide töten“.
Im kurdischen Club nebenan ist man vorsichtiger: Wie für seine Partei wünscht sich ein junger PKK-Sympathisant eine „letzte Chance“ für die NPD. In der Neustadt sind sich die jungen Leute dagegen einig – Kurden wie Türken, Rechte wie Linke: Die NPD gehört verboten. „Dann könnten die Nazis ihre Propagandamittel nicht mehr so effektiv verteilen“, sagt Zülfü Akbayir. Bei der Arbeit ist der Stahlkocher täglich mit ausländerfeindlichen Schmierereien konfrontiert. Andere geben ihm Recht, wenden aber ein, dass die Rechten unter anderen Namen wiederkommen würden. In Woltmershausen treffen sie häufiger Neonazi-Gruppen, die Ausländer angreifen. Aber Gegenwehr haben sie nicht organisiert: „Am Ende kriegen immer wir harte Strafen und die Rechten kommen so davon.“ Einer sagt: „Wieso fragst du uns? Unsere Meinung spielt doch keine Rolle. Frag' die Deutschen.“ jank/ede
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