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Ökonomische Nischen Mangelware

Weil Altona Gewerbefläche entwickelt, müssen kleine Firmen weichen  ■ Von Gernot Knödler

In der Leverkusenstraße in Bahrenfeld hat sich von alleine etwas entwickelt, was die Wirtschaftsförderer sonst mit großem Aufwand herzustellen versuchen: ein Gewerbehof, in dem sich viele Menschen mit kleinen Firmen selbstständig gemacht haben, die untereinander kooperieren. Die Tanzschule Tango Gotan ist hier ebenso untergekommen, wie ein Ableger der Musikproduktionsfirma Boogie Park, der Fotograf Wartenberg und ein Kulissenbau-Betrieb. Doch die Liegenschaftsverwaltung hält das Gelände für „unterwertig genutzt“ und der Drang potenter Investoren zu Gewerbeflächen in Altona ist groß. Den jetzigen Mietern ist deshalb gekündigt worden.

Das Gebiet am S-Bahnhof Diebsteich soll nach Auskunft der Liegenschaftsverwaltung neu aufgeteilt werden. Ein Stück davon ist bereits dem Farben-Hersteller Maleco an die Hand gegeben worden. Dem Altonaer Unternehmen ist sein bisheriger Standort in der Holstentwiete zu klein geworden. Jetzt kann es sich überlegen, wie es in dem Gewerbehof zurecht käme.

„In Altona haben wir grundsätzlich das Problem, dass wir eine größere Nachfrage haben, als Flächen zur Verfügung stehen“, sagt Birgit Gutenmorgen, die Bezirks-Beauftragte für Wirtschaftsförderung. Insbesondere Grundstücke, wo sich störendes Gewerbe ansiedeln könne, seien rar, sagt Baudezernent Reinhold Gütter. Also siegt im Kampf um die Flächen der ökonomisch Potentere.

Die heutigen Mieter sind eingezogen, als der Gewerbehof mehr oder weniger brach lag. Noch heute liegen die Mieten bei spottbilligen drei Mark pro Quadratmeter. Dafür waren die Gebäude marode und wurden von den Mietern trotz kurzfristiger Mietverträge mit großem Aufwand saniert. Allein die 22 Firmen, die gemeinsam darum kämpfen, bleiben zu dürfen, haben nach eigenen Angaben mehr als 1,6 Millionen Mark in die Häuser gesteckt. 60 Vollzeit- und 32 Teilzeit-Arbeitsplätze sind auf dem Gelände entstanden.

Dennoch ist Kai-Uwe Hübner von der Liegenschaftsverwaltung überzeugt, dass sich mehr aus dem Gebiet machen lässt. „Natürlich sieht die Stadt das positiv, wenn sich die Leute Existenzen aufbauen“, sagt er. Bei Flächen wie der in der Leverkusenstraße wiege jedoch die Chance, größeren Betrieben eine Entwicklungsmöglichkeit zu bieten, schwerer als das Interesse der jetzigen Mieter, den Status Quo zu erhalten.

Der Bezirk, die Liegenschaft und die Hamburgische Gesellschaft für Wirtschaftsförderung bemühten sich, den Mietern bei der Suche nach Alternativen zu helfen. Doch zum einen zerreißt der geforderte Umzug das Kooperationsnetz zwischen den Firmen und zum anderen sind derart billige Gewerberäume anderswo kaum zu finden. Die Voraussetzung für ein ähnliches Firmen-Biotop fehlt damit.

„In Berlin gibt es Gewerbehöfe mit Quadratmeter-Mieten von acht Mark“, sagt Wirtschaftsförderin Gutenmorgen. Die Hamburger Gewerbebau-Förderungsgesellschaften setzten dagegen auf Neubauten, die für viele Gründer zu teuer seien. Hier müssten die städtischen Gesellschaften dazulernen.

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