Achtung Aktion gegen Gewalt

■ Experimente in Bremerhaven: Häusliche Beziehungsgewalt ein Thema für die Schulen

Sperrig, schwierig, äußerst sensibel – das Thema häusliche Beziehungsgewalt ist nicht leicht vermittelbar, und schon gar nicht kindgerecht in 45 Schulminuten zu verpacken. Gerissen habe sich jedenfalls keine Schule um das Thema, gesteht Hilla Ehmke von der Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau in Bremerhaven.

Trotzdem, zwei Schulen haben sich für das bislang einmalige Projekt gefunden: Die Gaußschule und die Immanuel-Kant Schule in Bremerhaven werden in den nächsten Tagen eine Art „Anti-Gewalt-Tag“ ausrichten, um das Thema häusliche Gewalt endlich aus der „Tabu-Zone“ rauszuholen, meint Initiatorin Ehmke. Im nächsten Jahr sollen weitere Schulen dem Modell folgen.

Lernen sollen die Jugendlichen auf dem Projekttag „sich einzumischen, nicht wegzugucken“, wenn ihre Mütter geschlagen werden, erklärt Ehmke: „Wir wollen den Jungen und Mädchen aber auch Hilfsmittel an die Hand geben“. Konkret heißt das: Ansprechpartner zeigen, entsprechende Telefonnummern gleich mit. Auf diversen Infoständen sollen sich deshalb potentielle Helfer präsentieren: Beratungsstelle, Kontaktpolizei, Mädchen und Jungen Telefon, Streetworker, Gleichstellungsstelle und sozialer Dienst. „Wir wollen den Jugendlichen ein Forum bieten, sich mit diesem Thema auseinander zu setzten.“

Beim Problempunkt „häusliche Beziehungsgewalt“ allein bleibt es bei den Schulen allerdings nicht. Die Gaußschule hat den Projekttag kurzerhand zum „Anti-Gewalt-Tag“ erklärt. Denn Gewalt gegen Frauen Zuhause, sagt auch die dortige Oberstufen-Leiterin Roswitha Fütterer, sei wirklich nicht ganz einfach in der Schule darzustellen. „Das Thema Zivilcourage, Gewalt insgesamt, erschien uns passender.“ Auch Ehmke muss zugeben, dass sie immer wieder ihren Finger in die Wunde legen musste, damit das Ursprungsthema nicht ganz hintenrüberfiel.

In der Gaußschule soll häusliche Beziehungsgewalt jetzt vor allem in der Klasse erarbeitet werden, „wo das Umfeld ein bisschen intimer ist und man das nicht so offen besprechen muss“, so Fütterer. Seit Schulbeginn laufen in der Gaußschule dafür in der fünften und achten Klasse jeweils zwei Stunden pro Woche Extra-Kurse „soziales Kompetenztraining“, in denen es vor allem um Prävention von Gewalt geht. Denn schließlich sei auch das Umfeld der Schule immer stärker betroffen: Über die Jahre seien die Schläge, Strafen härter geworden, das Unrechtsbewusstsein weniger, meint Fütterer.

Am Freitag wird der erste Projekttag an der Gaußschule offiziell von Oberbürgermeister Jörg Schulz (SPD) eröffnet. 400 Luftballons mit Botschaften gegen Gewalt will die Schule dann steigen lassen. Außerdem hat die neunte Klasse ein Theaterstück erarbeitet, das allen Klassen nacheinander gezeigt wird. In den Klassen soll anschließend das Stück noch einmal besprochen werden. Als Lerneffekt erhofft sich Fütterer kleine Botschaften, die später präsentiert werden sollen: „Hilfe rufen, wenn ich nicht eingreifen kann.“ Oder: „Hingucken, nicht weggucken.“

Nächste Woche folgt schließlich die Immanuel-Kant-Schule mit ähnlichen Aktionen. Und im nächs-ten Jahr sollen weitere Schulen am Projekt teilnehmen. pipe