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Kronzeuge tritt auf

Nach Mouslis Aussagen soll der im Opec-Prozess angeklagte Schindler am Mord an Hessens Wirtschaftsminister Karry 1981 beteiligt gewesen sein

FRANKFURT/MAIN taz ■ Im Prozess um den Überfall auf die Ministerkonferenz Erdöl exportierender Länder (Opec) 1975 hat gestern ein Zeuge den Angeklagten Rudolf Schindler schwer belastet. Er beschuldigte Schindler, am Mord am hessischen Wirtschaftsminister Heinz-Herbert Karry 1981 beteiligt gewesen zu sein. Außerdem sei er als „Schütze“ der Revolutionären Zellen (RZ) verantwortlich für die Schüsse, mit denen in Berlin 1986 der Chef der Berliner Ausländerbehörde, Hollenberg, und 1987 der Vorsitzende des Asylsenats beim Bundesverwaltungsgericht, Korbmacher, an den Beinen verletzt wurden.

Tarek Mousli, als Kronzeuge im Zeugenschutzprogramm, betrat den Gerichtssaal mit kugelsicherer Weste. Schindler habe er in der RZ 1985 als einflussreichen Mann und „Hardliner“ kennen gelernt. Selbstverständlich habe er damals als „Neuer“ nach der „Geschichte der Organisation“, also auch nach dem Opec-Attentat und dem Karry-Mord gefragt, sei aber nicht informiert worden: „Die haben weit gehend gemauert.“ Er habe aber aus Andeutungen und gerade dem hartnäckigen Schweigen über bestimmte Ereignisse geschlossen, dass Schindler in die Taten „involviert“ gewesen sei.

Einmal habe er, so Mousli, einen heftigen Streit zwischen RZ-Mitgliedern über den Mord an Karry mitgehört. Dabei sei die Tat als „glatter Mord“ kritisiert worden. Bei der folgenden Diskussion sei gesagt worden, Karrys Tod sei „ein Unfall“ gewesen. Man habe ihn eigentlich nur verletzen wollen. Vor dem Haus Karrys sei es am Tatmorgen dunkel gewesen. Außerdem habe die ans Schlafzimmerfenster gelehnte Trittleiter gewackelt. Es sei zwar von „wir“ geredet worden. Das aber könne sich auch auf die RZ allgemein bezogen haben.

Zum Opec-Attentat habe er ebenfalls nichts Genaues erfahren können. Er wisse nur, dass sich Schindler und seine damalige Freundin vor Aussagen des in Frankfurt als Opec-Attentäter Hauptangeklagten Hans-Joachim Klein gefürchtet hätten. Nach Kleins Ausstieg aus dem Terrorismus 1976 habe Mousli sich gefährdet gesehen und sei deshalb untergetaucht. Aber auch hier habe nie jemand deutlich gesagt: „Ich bin dabei gewesen.“ Mousli selbst ist wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und Beteiligung an Sprengstoffanschlägen angeklagt. Sein Prozess beginnt nächste Woche in Berlin. Unterdessen hat die Bundesanwaltschaft ebenfalls beim Berliner Kammergericht Anklage gegen vier weitere Menschen wegen Mitgliedschaft bei den RZ erhoben. HEIDE PLATEN

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