Mousli: Die Kronzeugenregelung war`s

Am zweiten Tag des RZ-Prozesses weist Tarek Mousli den Vorwurf zurück, 1987 auf einen Richter geschossen zu haben. Die Bundesanwaltschaft versucht indes, die belastenden Aussagen seiner früheren Lebensgefährtin zu relativieren

Am zweiten Prozesstag gegen den 41-jährigen Karatelehrer Tarek Mousli wartete das Gericht gestern mit der überraschenden Ankündigung auf, die frühere Freundin des Angeklagten als Zeugin hören zu wollen. Die Frau hatte bei einer früheren Vernehmung ausgesagt, Mousli habe ihr erzählt, dass er derjenige gewesen sei, der 1987 auf den Bundesverwaltungsrichter Günter Korbmacher geschossen habe. Mousli bestreitet dies. Er will gegenüber der Frau von einem „Wir haben geschossen“ gesprochen haben. Mit „Wir“ seien die Revolutionären Zellen (RZ) gemeint gewesen.

Mousli steht in dem Prozess, wie berichtet, wegen des Vorwurfs der Mitgliedschaft in der terroristischen Vereinigung RZ zwischen 1985 und 1995 vor Gericht. Er soll an zwei Knieschussattentaten und einem Sprengstoffanschlag beteiligt gewesen sein. Um eine Bewährungsstrafe zu bekommen, hat er als Kronzeuge der Bundesanwaltschaft sechs Personen der Mitgliedschaft in den Berliner Zellen der RZ beschuldigt.

Bereits am ersten Verhandlungstag war offenkundig geworden, dass der Zweite Strafsenat des Kammergerichts die Aussagen des Angeklagten für bare Münze nimmt. Wenn überhaupt, wurden die vorhandenen Widersprüche von dem Vorsitzenden Eckhard Dietrich nur am Rande thematisiert. Deshalb war es eine Überraschung, dass sich das Gericht gestern kurzfristig zu der Ladung der früheren Freundin entschlossen hatte.

Die 34-jährige, zierliche Verkäuferin, die in einer roten Kunstlederjacke und hochhackigen Stiefeln in den Gerichtssaal stöckelte, war quasi vom Ladentisch weg in den Zeugenstand geholt worden. Mousli habe zu ihr gesagt, dass er bei dem Anschlag auf den Richter dabei gewesen sei und geschossen habe, wiederholte die Frau ihre frühere Aussage mit kaum vernehmbarer Stimme. Die beiden Sitzungsvertreter der Bundesanwaltschaft versuchten der Frau daraufhin nahe zu legen, dass sie die Schilderung Mouslis möglicherweise aus Aufregung missverstanden habe, zumal sie aus dem Ostteil der Stadt komme und zuvor nie mit terroristischen Aktivitäten konfrontiert worden sei.

Erst als die Frau einräumte, sie sei nicht hundertprozentig sicher, dass Mousli dies wirklich so gesagt habe, gaben sich die Bundesanwälte zufrieden.

Dass das Verfahren nicht spurlos an dem im Zeugenschutzprogramm stehenden Angeklagten vorübergeht, zeigten dessen tiefe Ränder unter den Augen. Seine Motivation auszusagen, begründete Mousli gestern damit: „Ich bin nicht bereit, für Vorwürfe geradezustehen, die ich nicht zu verantworten habe.“

Zum Zeitpunkt seiner Verhaftung im November 1999 habe er sich von der früheren Politszene „reichlich“ entfernt und sein Leben neu organisiert gehabt.

Deshalb sei es für ihn nahe liegend gewesen, die Kronzeugenregelung „in Anspruch“ zu nehmen. Er habe dafür aber eine ganze Menge aufgegeben, schließlich sei er als Karatelehrer an exponierter Stelle tätig gewesen. Als einziger weiterer Zeuge soll am Mittwoch ein Vernehmungsbeamter gehört werden.

PLUTONIA PLARRE