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Braune Soße im Gesicht

Mitten in der bayerischen Provinz macht „AmperRechts“, ein Umsonst-Blättchen der Republikaner, mit 50er-Jahre-Polemik und rechtspopulistischen Inhalten kräftig Stimmung „gegen den Linksruck“

von TOBIAS MOORSTEDT

Da steht er nun, Wolfgang Bukow, auf seinem Balkon im siebten Stock eines dieser Gebäude aus den 70er-Jahren, die halb Sozialbau, halb Wolkenkratzer sind. Der abendliche Fön weht das Bild der bayerischen Alpen ganz nahe an den Balkon heran. Bukow atmet aus, das Kreuz durchgedrückt: Ja, unser Land. Schweigt danach und lässt den Seufzer sprechen: Ja, schön ist es, das Land, und lieben tut er es. Wenn der 53-Jährige nicht auf dem Balkon steht und unser Land betrachtet, dann ist der Volkswirt Chefredakteur der lokalen Parteizeitung der Republikaner, die in den vergangenen Wochen mit Hetzparolen gegen den jüdischen Politiker Michel Friedman und Klagen über den Linksruck in Deutschland für Aufsehen sorgte. Der Titel des kostenlosen Blättchens: AmperRechts; die Auflage: 38.000, immerhin.

Rechte Parteipolitik

Zur Erklärung: Die Amper ist ein Fluss, der aus den Alpen durch ganz Oberbayern fließt, bevor er kurz hinter Bukows Landkreis Fürstenfeldbruck, in dem dieser Vorsitzender der Republikaner ist, in die größere Isar mündet. Rechts ist die Politik, die Bukow und seine Parteikameraden machen.

Und vielleicht wäre das Ganze die allgemeine Aufregung ja auch gar nicht wert; politische Ignoranz und Verblendung sind schließlich nichts Neues in diesem Land. Doch spielt die Geschichte nicht in irgendeinem abgelegenen bayerischen Bergdorf, sondern – wie gesagt – im Landkreis Fürstenfeldbruck, der einwohnerreichsten Region im Bundesstaat Bayern, 20 Kilometer vor München gelegen, der roten Insel im schwarzen Meer.

Die haben Angst, weil wir jetzt Gesicht zeigen, erklärt sich Chefredakteur Bukow die Empörung der Kommunalpolitiker und der Lokalzeitungen über das rechte Werbeblatt; die schrieben schon mal, ihm laufe die braune Soße aus dem Gesicht. Mit Gesicht zeigen meint Bukow zwar vor allem die Porträtfotos im Blatt, mit denen sich die Parteioberen ganz offen zu ihrer nationalen und rechten Gesinnung bekennen, dem Leser jedoch, der zum selbstständigen Denken neigt, fallen bei dem Begriff eher die rechtsradikalen Zitate im Text auf als die verwaschenen Automatenfotos schnauzbärtiger Rechter. Von knapp werdendem Lebensraum für das deutsche Volk ist da die Rede, vom linken Politpöbel, geldgeilen Konzernen. Von Kunst, die nicht als solche zu erkennen ist, und von jüdischen Politikern, die mal wieder die schlimmsten seien.

Noch erscheint AmperRechts nur mit acht Seiten, schlechter Papierqualität und seltsamem Layout, doch ist laut Bukow geplant, das Format auszuweiten. Durch die vielen Spenden, die seit der Erstausgabe im Januar 2000 bei uns eingetroffen sind, ist der Etat bis 2002 gesichert, sagt Bukow. Quer durch Deutschland hätten andere Kreisverbände bereits begonnen, ähnliche Formate unter das Volk zu werfen.

Liest man Bukow aus seiner eigenen Zeitung vor, dann herrscht erst einmal Schweigen, hallt sein Denken in den Raum hinein. Dann das: Man müsse schon anerkennen, dass, nun ja, er, ja . . . genau genommen gar kein gelernter Journalist sei, und, ääh, da könne es, so dann und wann, auch mal passieren, dass einem das eine oder andere Wort rausrutscht. Manchmal schreibe es sich eben flott und . . .

Gegen den Linkrsruck

Doch eigentlich, und darauf beharrt Bukow, ist AmperRechts vor allem eine Reaktion auf die Kampagne gegen patriotische Deutsche, die dieser Tage in der Republik stattfinde. Wir wollen da mit gleicher Münze zurückzahlen, meint er und lacht – so sagt man das wohl – ein wenig in seinen graumelierten Bart. Das hört sich dann folgendermaßen an: Wir lassen uns nicht einschüchtern – Mit Zivilcourage gegen den Linksruck.

Die 80 Prozent der Bevölkerung, sagt Bukow, die uns noch nie gemocht haben, hassen uns jetzt noch mehr, doch der Rest nimmt jetzt langsam Kontakt zu uns auf. Zu beweisen unter anderem mit randvollen Podiumsdiskussionen und einer Eintrittswelle mit 16 neuen Mitgliedern. Die Politiker der demokratischen Parteien werden es mit Schaudern vernehmen: So hatte sich die Sensibilisierung der Bevölkerung für rechtes Gedankengut wohl keiner vorgestellt. Die Republikaner sind im Landkreis Fürstenfeldbruck kein kleiner Kreis von Spinnern, sondern sitzen in vielen Gemeinde- und Stadträten und sind – laut Bukow – die drittgrößte Mitgliederpartei der Region. Vor allem vor diesem Hintergrund sind die verbalen Aussetzer bemerkenswert. Ungeniert bedienen sie sich Vokabeln, die seit mehr als 50 Jahren geächtet sind, fordern ein Ende des lächerlichen KZ-Tourismus im nahe gelegenen Dachau, der die Anwohner belästige, wettern gegen die Gewalt von Linksextremisten, Psychopathen und ausländischen Schlägerbanden und fordern, das scharfe Schwert des Staates zur Bekämpfung der Kriminalität zu schwingen. Natürlich sind wir Rechtspopulisten, gibt Bukow unumwunden zu, viele Formulierungen sind gewollt zugespitzt, und von Political Correctness halte ich sowieso überhaupt nichts.

Die Idee zu der neuen Pressepolitik kam Bukow nach eigener Aussage in einer Sitzung des Stadtrates Fürstenfeldbruck, in dem er seit mehreren Jahren sitzt. Für die nüchternen Fakten die ich präsentierte, hatten die Journalisten nichts übrig, berichtet Bukow, doch sobald die Abgeordneten anfingen, sich zu beschimpfen, zückten sie ihre Stifte. Seine Schlussfolgerung: Mit moderaten Äußerungen erreicht man in diesen Zeiten niemanden mehr. Nur mit Polemik kann man die Leuten noch wachrütteln.

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