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trittins vergangenheitCDU hat Lust auf Leben

Guck mal, wer da spricht. Joschka Fischer, Jürgen Trittin – seit gut einer Woche schlägt die Stunde des Mittelmaßes. Politische Schwergewichte wie Friedbert Pflüger (CDU), Friedrich Merz (CDU), FDP-Chef Wolfgang Gerhardt und der Historiker Michael Wolffsohn laufen Sturm. Aber wogegen eigentlich? Geht es ihnen wirklich um die „unaufgearbeitete“ Biografie eines Fischer? Um neue Enthüllungen im Altbekannten? Wohl kaum. Hier werden vor laufender Kamera narzisstische Kränkungen therapiert. Menschen, die in bürgerlichen Laufbahnen erstarrten, noch bevor sie gelebt haben, rufen sich zu: Es war richtig, wir sind gut.

Kommentarvon EBERHARD SEIDEL

Die Geschichte ist also noch nicht vorbei. Und mit Jürgen Trittin wird der zweite hochrangige grüne Politker zur demonstrativen Verneigung vor dem Rechtsstaat genötigt. Ein Ende der Schauprozesse ist nicht in Sicht. Joscha Schmierer, der außenpolitische Berater Fischers, Antje Vollmer und all die anderen Genossinnen und Genossen, die dereinst im KB, dem KBW, der KPD/AO oder den autonomen Gruppen von einem besseren Leben träumten – auch sie haben ihre Vergangenheit. Die Konservativen werden auch diese mit ihrer neuen Lust an erzähltem Leben schon bald „entdecken“.

Nachdem die 68er durch den Fleischwolf (kleinst)bürgerlicher Selbstgerechtigkeit gedreht wurden, folgt nun die Generation der 78er ff.: all jene also, die das Gewaltmonopol des Staates auch dann noch in Frage stellten, als Fischer bereits vom Saulus zum Paulus mutiert war. Die weiter munter Häuser besetzten, an den Bauzäunen in Wackersdorf rüttelten und hin und wieder Einkaufspassagen entglasten.

Wer von ihnen darf in Zukunft noch ein politisches Mandat bekleiden? Geht es nach Leuten wie Merz und Co., wird es eng für die Grünen und auch für die SPD. Tag für Tag wird die moralische Messlatte ein paar Zentimeter höher gelegt. Und schon bald könnten Nachwuchspolitiker wie Cem Özdemir, dem man tatsächlich nichts zutraut, was einer Schwiegermutter missfallen könnte, als das Äußerste der Zumutbarkeit erscheinen.

Auch für die taz wird es eng. Auch wir haben nun zu prüfen, ob es da nicht die eine oder andere klammheimliche Freude gegeben haben könnte, die keinen Bestand vor der Geschichte hat und bei den jungen Wilden der Union auf Missfallen stößt.

Über die spontane Militanz von Kanzler Helmut Kohl gegen den Eierwerfer von Halle haben wir gar herzlich gelacht. Entschuldigung.

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