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Clubben wie bei Muttern

„To Club“ ist die neue Reality-Soap von RTL 2: Dreizehn Kandidaten sollen in Berlin die aufregendste Disko der Welt aufbauen. Alex von „Big Brother“ erklärt ihnen, wie viel Whisky sie einkaufen müssen

von KIRSTEN KÜPPERS

Wenn man im Fernsehen die neue Reality-Soap des Privatsenders RTL 2 „To Club“ guckt, fällt einem alles wieder ein: die Mützen, die Haarclips, die Gummibänder, die rosa Sonnenbrillen, die bunten Spaghettiträgerhemdchen. Die jungen Kandidaten bei „To Club“ sind mit genauso vielen heiteren Freizeitaccessoires ausgerüstet, wie Alex, Kerstin, Andrea und Jürgen bei der ersten „Big Brother“-Staffel. Vor einem Jahr noch fand man das interessant. Inzwischen kommt es einem vor, als sei das schon sehr lange her.

Bei „To Club“ bauen die Kandidaten eine Diskothek auf. Das ist inzwischen nur eine von vielen Fernsehmöglichkeiten. Andere „TV-Innovationen“ des Privatfernsehens heißen „Big Brother“ (Kandidaten leben in Container), „Girlscamp“ (Kandidaten machen Urlaub), „Big Diet“ (Kandidaten nehmen ab), „Der Bus“ (Kandidaten fahren Bus), „Expedition Robinson“ (Kandidaten leben auf Insel), „11 Grad Ost“ (Kandidaten steigen auf Berge), „Popstars“ (Kandidaten werden Mädchenband), „Die Skischule“ (Kandidaten fahren Ski), „Taxi Orange“ (Kandidaten fahren Taxi), „Space Commander“ (Kandidaten fliegen ins Weltall) und „House of Love“ (Kandidaten suchen Partner). Das Angebot an existierenden und angekündigten Real-Life-Formaten ist groß, die Budgets der Produktionsfirmen werden kleiner, die einzelnen Sendungen stehen unter Quotendruck.

Bei „To Club“ liegt die Hoffnung im Berliner Nachtleben. Das ist bekanntlich dunkel und gut. Viele Menschen, die in Dörfern leben, sind neidisch. Dementsprechend heißt der Werbeslogan von „To Club“: „Das ist keine 80er-Jahre-Landdisko, hier tanzt die Hauptstadt.“ Für die Sendung hat RTL 2 ein altes Wasserwerk gegenüber vom Ostbahnhof gemietet und es zum Club mit angeschlossenem Wohntrakt umbauen lassen, mit 50 Kameras und 40 Mikrofonen. Sechs männliche und sieben weibliche Kandidaten sind Anfang Februar eingezogen.

Bis Ende April sollen sie das Haus in eine gut gehende Diskothek umfunktionieren. Dazu müssen sie DJs aussuchen, Getränke einkaufen, hinter dem Tresen stehen und putzen. Der Rest läuft nach bekanntem Prinzip. Fünfmal die Woche ist ein Zusammenschnitt des Clublebens abends auf RTL 2 zu sehen. Die Zuschauer dürfen alle zwei Wochen einen Kandidaten abwählen. Wer übrig bleibt, bekommt 100.000 Mark.

Für brauchbare Fernsehbilder muss der neue Club in der Holzmarktstraße allerdings voll werden. Dafür kaufen die Kandidaten jetzt jeden Tag teure DJs ein, verteilen Handzettel auf dem Alexanderplatz oder drängen die Fernsehzuschauer, vorbeizukommen. Alte „Big Brother“-Kollegen helfen zu Reklamezwecken auch noch mit: Alex hat den jungen Betreibern erklärt, wie viel Whisky man für eine Bar besorgen muss. Und Andrea sagte am Eröffnungsabend am vergangenen Wochenende anerkennend in die Kameras: „Die haben wenigstens was zu tun und deshalb keine Zeit, viel Mist zu labern.“

Bisher klappen diese Methoden jedoch nicht. Wer in den „angesagtesten Club Deutschlands“ (Pressetext) geht, steht schnell in einer leeren Halle. Die Musik ist laut. An eine Wand ist „www.toclub.de“ gesprüht. Und neben der Tanzfläche warten ein Kameramann und zwei Kabelträger. Bei den wenigen anderen Gästen denkt man an Journalisten. Sein Geld muss man in „Clubeuro“ tauschen. Ein Clubeuro entspricht einer Mark. Die Kandidaten sind an ihren schwarzen T-Shirts und Headsets zu erkennen.

Sie machen an diesem Abend, was Menschen eben tun, wenn ihnen langweilig ist: Tische abwischen, hinter der Theke wursteln, gucken, ob noch genug Cola da ist. Viviana zeigt ihr Rosentattoo. Zwei andere Mädchen küssen sich vor der Kamera. In einer Ecke tanzt ein einsamer Mann mit nacktem Oberkörper. Sonst passiert wenig. Einmal kommt der DJ herunter und sagt: „Das ist die schrecklichste Party meines Lebens.“ Seine Freundin Christina meint, sie komme sich „so blöd vor wegen der Kameras“. Und überhaupt traut sich keiner, aufs Klo zu gehen, weil dort auch alles gefilmt wird.

In der Aufzeichnung im Fernsehen ist am Tag danach von der traurigen Clubsituation nichts zu sehen. Der leere Tanzraum kommt kaum vor. Stattdessen erinnern viele Szenen an die Bilder einer Klassenfahrt. Die Kandidaten rennen in Schlafanzügen umher, zwei Jungs strippen, das Zwillingspärchen erzählt von der Fettabsaugoperation. Am sympathischsten wirkt noch der stille Tak-Win. Im richtigen Leben arbeitet er in Spandau im China-Restaurant seiner Eltern.

Trotz vieler Anrufe bei der RTL-Pressestelle waren die Quoten der neuen Sendung bis Redaktionsschluss nicht zu erfahren. Man vermutet schlechte Ergebnisse. Neulich sagte jemand, „To Club“ sei vor allem deswegen schrecklich, weil seine Mutter in München sich jetzt so das Nachtleben in Berlin vorstelle.

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