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Dylan gegen Westerwellen

Ein Blick zurück und einer voraus: Sechs OSI-ProfessorInnen der 68er-Generation interpretierten ihre Sturm-und-Drang-Phase. Ihr Fazit: Will man das Erkämpfte erhalten, muss man mehr tun als damals

von BERT SCHULZ

Es gibt DozentInnen am Otto-Suhr-Institut (OSI) der Freien Universität, die behaupten, noch heute ihre Studierenden „unter den Tisch“ reden zu können. Damit spielen sie auf ihre durch 1968 geschulte vermeintliche Standhaftigkeit in Diskussionen an. Getestet wird diese Hypothese von den Studierenden aber nur selten.

Nächtelange Diskussionen sind einer der großen Mythen der 68er, die derzeit pauschal unter Beschuss stehen. Damals wurde weniger geredet als vielmehr Gewalt gegen den Staat angewandt, so der Stein des Anstoßes, den etwa die CDU durch die politische Landschaft schleudert. Dagegen wehrten sich fünf Professoren und eine Professorin des OSI, allesamt Epigonen der 68er, auf einer Veranstaltung am Donnerstagabend im Henry-Ford-Bau vor 250 Zuhörern – vorwiegend StudentInnen. Thema: „1968: Ein nicht enden wollender Streit“.

„68 war eine Kulturrevolution und ein Bruch mit der Vergangenheit“, erklärte Professorin Brigitte Rauschenbach, die nach eigenen Angaben nie Steine geworfen hat. Die Hinterlassenschaft der 68er nannte sie „ein konkretes intellektuelles Erbe“. Wer es in Frage stellt, wolle politisch unliebsame politische Fragen entlegitimieren.

Versucht werde dies derzeit von einer „Yuppiegeneration der Politik“, so der emeritierte Professor Ekkehart Krippendorff. Er warf „diesen Westerwelles“ vor, ohne jede politische Moral „skrupellos“ nach Macht zu gieren. Professor Siegfried Heimann – vor sich auf dem Podium ein dickes Buch mit dem Titel „Protest“ – erinnerte an „die miefige Atmosphäre“ im damaligen Deutschland und plädierte für eine Differenzierung: „Die 68er waren keine revolutionäre Masse, die an einem Strang zog.“ Und ihr Marsch durch die Institutionen war eher ein „Marsch der Institutionen durch die 68er“, bemerkte Dozent Wolf-Dieter Narr.

Die Studenten vernahmen’s erstaunlich kommentarlos, dafür teilweise mit ironischem Schmunzeln. Etwa, als Professor Elmar Altvater mit Wehmut in der Stimme Bob Dylan zitierte oder ein Zuhörer die Kommunikationsfähigkeiten der 68er in Berlin herausstrich: „Damals gab es nur 10.000 Studenten an der FU; man kannte sich untereinander.“

Einige Besucher waren letztlich jedoch enttäuscht, etwa Claudia Päffgen, Politikstudentin im ersten Semester. Zwar habe sie von den professoralen Zeitzeugen ein Bild der damaligen sozialen Situation bekommen. Die Diskussion danach sei jedoch vor allem von „psyeudorevolutionären Studenten“ geführt worden.

Das lag daran, dass sich die Diskussion auch um die geplanten Stellenstreichungen am OSI drehte. Während OSI-Studenten von den Profs forderten, dass sie „die Klappe aufmachen und sich zu ihrer Rolle bekennen“ sollten, machten auch Professoren ihrer Enttäuschung über die Studierenden Luft. So bezeichnete Elmar Altvater einige wegen fehlender programmatischer Vorschläge als „Luschen“.

Generationsübergreifend war hingegen das emotionale Schlusswort Wolf-Dieter Narrs: Wenn ein Stück der nach 1968 erkämpften Strukturen gerettet werden solle, „müssen wir heute mehr tun als früher“. Da dauerte die Veranstaltung bereits viereinhalb Stunden. Beendet wurde sie weder von den Studis noch von den Profs, sondern vom Hausmeister – ohne Worte und ohne Gewalt.

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