: SPD schwimmt sich mäßig frei
Die SPD will nicht in den Skandalstrudel der CDU-Spendenaffäre gezogen werden. Ohne die CDU allerdings kann sie auch nicht. Deshalb beantragt jetzt auch die SPD einen Untersuchungsausschuss – um wirklich alles aufzuklären
Das Koalitionsklima wird immer besser: Jetzt kommunizieren die Landesvorsitzenden von CDU und SPD, Eberhard Diepgen und Peter Strieder, nur noch schriftlich miteinander. Nicht nur weil sich die beiden Senatsmitglieder – außer bei der dienstäglichen Kabinettssitzung – dann nicht mehr in die Augen sehen müssen. Sondern auch weil Strieder dann die Briefe des Regierenden Bürgermeisters gleich als Beleg für dessen mangelnden Aufklärungswillen an die Presse verteilen kann.
Offene Fragen beantworten? „So weit ich dazu die Möglichkeit habe, ist es geschehen“, schreibt Diepgen. Strieders Schlussfolgerung: Wo die Union bei der Selbsterforschung brutalstmöglich versagt, muss ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss her – gegen den eigenen Regierungspartner. Jetzt wird das Koalitionsklima noch viel besser.
Will die SPD also die Regierung sprengen? „Wir arbeiten darauf nicht hin“, versichert Strieder. Nichts ist in der SPD derzeit größer als die Sorge, die Partei könnte – obwohl sie sich noch kaum von der letzten Wahlschlappe erholt hat – den Koalitionspartner wechseln oder gar Neuwahlen durchstehen müssen. Genauso groß ist allerdings inzwischen die Angst, die Berliner SPD könnte – ganz wie vor kurzem die hessische FDP – mit dem Koalitionspartner in den Skandalstrudel gerissen werden. Strieder spricht das offen aus: „Ich werde es nicht zulassen, dass die SPD als Koalitionspartner in Misskredit gebracht werden kann.“
Kaum hat sich die SPD mit dem Ausschuss-Vorstoß aus der Umklammerung des Koalitionspartners ein Stück befreit, holt CDU-Fraktionschef Klaus Landowsky zur nächsten Umarmung aus. Damit trete die SPD den „geordneten Rückzug“ aus etwas an, was für Klaus-Rüdiger Landowsky noch immer nichts als eine „Kampagne“ ist – mit dem einzigen Ziel, die große Koalition möglichst rasch zu beenden.
Dass sich die SPD jetzt auf ein so langfristiges Projekt einlässt, wie es ein Untersuchungsausschuss nun einmal ist, das scheint den CDU-Fraktionschef zu beruhigen. Dabei bedeutet ein solcher Ausschuss für die Koalition doch nichts anderes, als dass die Partner sozusagen nur noch über ihre Anwälte miteinander verkehren. Bis aus einer solchen Trennung tatsächlich eine Scheidung wird, kann allerdings viel Zeit vergehen – das ist in der Politik genauso wie im wahren Leben.
RALPH BOLLMANN
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