: Biogas für den Neuen Markt
Die Farmatic Biotech Energy AG wagt heute den Sprung auf das Börsenparkett. Das Unternehmen stellt industrielle Biokraftwerke her, die aus Abfällen Biogas, Strom und Wärme gewinnen
Ob der Zeitpunkt des Börsengangs der Farmatic Biotech Energy AG, Nortorf, so glücklich gewählt ist, darüber gehen die Meinungen der Analysten auseinander: Immerhin markiert der Nemax 50 pausenlos neue Tiefststände. Auffällig ist, dass sich viele Analysten derzeit mit klaren Bewertungen bei „grünen“ Firmen überhaupt bedeckt halten. Ein Grund: das schwache Börsendebüt der Nordex AG vor einer Woche. Die Aktie des Windturbinenbauers rutschte nach einem Ausgabepreis von 9 Euro noch am selben Tag auf unter 8 Euro. Auch Emissionen aus dem Bereich regenerativer Energien sind also keine Gewinn versprechenden Selbstläufer mehr. Was Farmatic ab heute dem Neuen Markt und Anlegern bringt, bleibt deshalb vorerst offen.
Farmatic-Vorstand Peter Schrum scheint das nicht zu beunruhigen. „Wir sind der führende Anbieter für die industrielle Umwandlung von Biomasse in Biogas.“ Farmatic habe Erfahrungen in der Entwicklung, Konstruktion und Errichtung von Biogaskraftwerken – und „außerdem schreiben wir schwarze Zahlen“, meint der 42-jährige Ingenieur. Im vorigen Jahr betrug der Umsatz 18,2 Millionen Euro, wovon 60 Prozent im Bereich Biokraftwerkstechnologie und 40 Prozent mit Abwassertechnik erwirtschaftet wurden. Das Ergebnis vor Steuern lag bei 559.000 Euro. Nach Angaben von Farmatic soll der Umsatz jetzt auf 40 Millionen Euro wachsen.
Das 1963 als Farm Automation GmbH gegründete Unternehmen verfügt über technologische Kompetenz, um aus Gülle und Obstresten Biogas zu machen, das wiederum in Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen zur Gewinnung von Ökoenergie genutzt wird. Farmatic „ist der einzige Entwickler von Biokraftwerken, der ein Full-Service-Konzept anbietet“, erklärt die konsortialführende WestLB Panmure in ihrer Emissionsstudie.
Das Unternehmen biete Lösungen für globale Umweltprobleme, wirbt auch Peter Schrum. Der Markt für regenerative Energien werde in den kommenden Jahren enorme Zuwachsraten verzeichnen. „Der Börsengang ist ein logischer Schritt. Mit den Mitteln wollen wir unseren Wettbewerbsvorsprung international ausbauen“, so Schrum.
Allein in Deutschland hat Farmatic über 900 potenzielle Biokraftwerksstandorte ausgelotet. Große Projekte hat das Unternehmen bisher in Neubukow, im jordanischen Amman und im dänischen Ribe umgesetzt. In den kommenden fünf Jahren will die Firma über 100 Anlagen bauen, davon rund 30 im Ausland. „Wir wollen europäischer Marktführer werden“, erklärt Vorstandschef Schrum.
Eine Floskel, die Analysten allerdings nicht mehr überzeugt. Schließlich wollen nahezu alle Ökoenergieanbieter, die in den vergangenen zwölf Monaten an den Neuen Markt gegangen sind, in irgendeiner Form „europäischer Marktführer“ oder sogar Weltmarktführer werden. Selbst die Konsortialbank WestLB Panmure meint in ihrer Analyse zu Farmatic, dass die Entwicklung des Unternehmens zu stark von staatlicher Förderung abhängig sei. Eine echte Schwäche aus Sicht der Banker. Denn nur mit dem im Frühjahr 2000 in Kraft getretenen Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) ist der Absatz der Bioenergie aus Farmatic-Anlagen in Deutschland langfristig gesichert und wirtschaftlich attraktiv. Ob ein Biogaskraftwerk schwarze Zahlen schreibt oder nicht, hänge – so die Einschätzung der WestLB Panmure – im Wesentlichen „von Subventionen und dem garantierten Verkaufspreis der erzeugten Energie ab“.
Das Magazin telebörse hält die Abhängigkeit der Farmatic-Geschäftsentwicklung von staatlichen Fördermaßnahmen für ein „nicht zu unterschätzendes Risiko für Anleger und Investoren“. Nur bis 18 Euro solle das Papier gezeichnet werden. Andere Analysten haben aus dem flauen Börsengang von Nordex Konsequenzen gezogen. Weil bei dem Windkraftanlagenhersteller ein Teil des Emissionserlöses an Altaktionäre floss, halten sie sich mit optimistischen Prognosen für Farmatic weitgehend zurück. „Nordex hat seinen Schatten auf die anstehenden Emissionen aus dem Bereich der regenerativen Energien geworfen“, meint auch Philipp Spitz vom Beratungsunternehmen Murphy & Spitz.
Farmatic will die Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten auf die Aufbereitung von Biogas in Erdgasqualität konzentrieren. Bereits ab 2002 soll ein neues technisches Verfahren einsatzreif sein. Biogas soll dann in die Erdgasnetze eingespeist werden. Außerdem arbeitet Farmatic am Einsatz eines Erdgassubstituts, des so genannten Greengas, als Primärbrennstoff für Brennstoffzellen. „Spätestens ab 2005 können umweltbewusste Nutzer ihr Brennstoffzellenauto mit ihren verwerteten organischen Abfällen betreiben“, meint Vorstand Schrum. Eine theoretisch optimale Lösung. Der Haken: Analysten glauben nicht so recht an diesen Fahrplan. Sie sehen in der grünen Brennstoffzellenvision allenfalls eine Gelegenheit, das Trendthema Brennstoffzellentechnik für den Börsengang positiv auszuschlachten. „Das ganze Konzept kommt mir nicht geheuer vor. Ich halte die Sache noch für ziemlich unausgegoren“, meint Thomas Gabelmann vom Kölner Bankhaus Sal. Oppenheim. Vorsicht sei auf jeden Fall angebracht.
Nach dem wenig spektakulären Börsengang von Nordex braucht sich also niemand zu wundern, falls Farmatic womöglich dasselbe Schicksal ereilt wie die Turbinenschmiede. Nordex war der erste Kandidat, der in diesem Jahr seine Preisspanne von ursprünglich 14 auf später 9 bis 11,50 Euro senkte. Wer jetzt an den Neuen Markt geht, so die Stimmung auf dem Parkett, der habe es wirklich nötig. Die Bookbuilding-Spanne von Farmatic lag in der vergangenen Woche noch zwischen 17 und 21 Euro. Bei dem auf vorbörslichen Handel mit Aktien-Neuemissionen spezialisierten Makler Schnigge allerdings rutsche die Farmatic-Aktie am Mittwoch laut Reuters bereits auf 15,50 Euro. Keine guten Zeiten für Anleger, die eine schnelle Mark machen wollen.
MICHAEL FRANKEN
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