: Raus aus der Nische
Bio-Lebensmittel werden auch für den Otto-Normalverbraucher zunehmend zur begehrten Ware. Ob im Supermarkt oder im Einzelhandel: Die Branche verabschiedet sich vom alten Image. Service und Angebot sind auf neue Käufergruppen ausgerichtet
von CHRISTA STORM
Bio-Lebensmittel einkaufen – was vor ein paar Monaten für die meisten Leute Luxus war, ist mittlerweile für viele zwingemde Gewohnheit geworden. Darin sind die Bilder von verkohltenTierkadavern schuld, die Tag für Tag in den Zeitungen zu sehen sind. Plötzlich ist sie da, die Chance für Neuland-Fleischer und Biogemüse-Anbauer. Denn die Angst vor fiesen Seuchen ist groß und so manchem wird noch im Nachhinein schlecht von all den wirklich köstlichen, hauchdünn aufgeschnittenen Kalbsschnitzeln seines Lebens. Deswegen muss man ab sofort wissen, woher das Fleisch und das Gemüse stammen. Man will beruhigt werden und wieder in Ruhe essen. Man ist gern bereit, etwas mehr zu zahlen, aber übertrieben teuer darf es auch nicht sein. Tofu-Artikeln gegenüber ist und bleibt man skeptisch. Also: Bioladen, aber undogmatisch.
Alle, die noch den klassischen Bioladen der späten Achtzigerjahre im Hinterkopf haben (zwei bis drei verschrumpelte Äpfel, Milch in Glasflaschen mit Bodensatz, eine Jutetasche mit dem Aufdruck „Die Zukunft Afrikas ist schwarz“, macht zusammen siebzehn neunundneunzig), dürfen jetzt befreit aufatmen – in Berlin gibt es Biogut jetzt in unfassbar großer Auswahl. Nicht nur auf den Märkten, sondern auch in den Lebensmittelgeschäften häufen sich mannigfaltige Angebote. Im Folgenden zwei Beispiele, nach subjektiven Das-Auge-isst-mit-Kriterien ausgewählt.
Erstens: Die Kreuzberger Markthalle an der Eisenbahnstraße. Hier gibt es alles, aber besonders zu empfehlen ist der Fleischstand von Bernhard Hitzler, dessen Meisterbrief hier hübsch gerahmt über dem großen Sortiment hängt. Er verkauft hauptsächlich Neuland-Fleisch aus der Region, und Ostern hat er besonders viel Lamm verkauft. Bernhard Hitzler ist seit zwanzig Jahren Fleischer. Damit er nicht so viel reden muss, hängen an seinem Markthallen-Geschäft überall kleine Zettel mit beruhigenden Informationen: Neuland-Rinder liegen auf Einstreu, können ganzjährig nach draußen, sind nicht angebunden, bekommen weder Tiermehl noch Antibiotika zu fressen und haben mit Gentechnik rein gar nichts zu tun. Nebenan verkauft Petra Zint Eier. Beelitzer Freilandeier, Eier aus Bodenhaltung, weiße Eier, braune Eier. Frau Zint erklärt mit Seelenruhe die Unterschiede. Und: Sie nimmt die Eierkartons zurück. „Recycling“, sagt sie und grinst.
Zweitens: Der Friedrichshainer Bio-Company-Supermarkt in der Voigtstraße. Hier gibt es ebenfalls alles – ein Vollsortiment an Nahrungsmitteln und Drogerieartikeln in konsequent ökologischer Qualität. Besonders interessant: Die Bio-Company bietet außergewöhnlich viele Baby- und Kinderartikel an. Beeindruckend ist der Friedrichshainer Filiale das besonders große Obst- und Gemüsesortiment. Erstaunlich, dass die Salatköpfe hier aussehen, wie frisch vom Food-Designer hindrapiert. Das macht Appetit und Lust auf mehr. Alle Nahrungsmittel, die man hier kaufen kann, unterliegen der Bio-EU-Verordnung „Ifoam“ und sind fast schon erschreckend preisgünstig. Sonderangebote gibt es nicht, der Kunde findet immer die gleichen Preise wieder, die nur dann steigen, wenn sie vom Hersteller erhöht werden. Darüber hinaus wird man im Bio-Company-dessen ältere Filialen sich in der Wilmersdorfer Straße 102, der Schönhauser Allee 65 und der Schildhornstraße 87 befinden, freundlich und fundiert beraten. Es gibt sogar einen Lieferservice nach Hause und einen extra Snack-Service für die Mittagspause. Vom Muff der Bio-Anfänge keine Spur. In der Filiale Voigtstraße gibt es sogar Zigaretten. Natürlich unparfümierte.
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