: Vietnamesisches Baby kommt in Haft
Der Verfassungsgerichtshof hat dem Senat die Trennung einer inhaftierten Vietnamesin von ihrem neugeborenen Kind untersagt. Ab Montag werden beide in der Frauenhaftanstalt Pankow betreut. Bis dahin darf die Mutter in die Klinik
Das am Mittwoch geborene Kind einer 17-jährigen vietnamesischen Untersuchungsgefangenen darf nun doch zu seiner Mutter. Eine entsprechende einstweilige Anordnung erließ gestern der Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin. Demnach muss das Land Berlin vorläufig sicherstellen, dass die Mutter trotz Fortdauer der Untersuchungshaft gemeinsam mit ihrem Kind untergebracht werden kann.
Begründung: Das Grundrecht der Mutter auf Pflege ihres Kindes gebiete es grundsätzlich, ihr die Möglichkeit zu geben, vor allem während der ersten Monate nach der Geburt und in der Stillzeit mit ihrem Kind zusammen zu sein. Der Verfassungsgerichtshof kritisierte, dass die Maßnahmen der Justizverwaltung „nicht hinreichend konkret und verbindlich“ gewesen seien, um dem Rechnung zu tragen.
Ursprünglich wollte die Justizverwaltung das Kind ab kommenden Montag bis zur endgültigen Entscheidung in ein Kinderheim geben (taz berichtete). Die Mutter war kurz nach der Entbindung zurück in die Frauenhaftanstalt Lichtenberg gebracht worden, wo sie wegen des Verdachts des versuchten Mordes im Milieu der vietnameischen Zigarettenmafia einsitzt. Der Anwalt der Mutter, die Vereinigung der Berliner Strafverteidiger und der Berliner Vollzugsbeirat hatten heftig gegen die Entscheidung der Justizverwaltung protestiert, der Mutter zunächst nur kurze Besuche bei dem Neugeborenen zu gestatten.
Nach der Verfügung, die eigentlich sofort umgesetzt werden muss, erklärte Justizsprecher Sascha Daue, dass Mutter und Kind ab kommenden Montag zusammen in der Frauenhaftanstalt Pankow untergebracht werden und eine Betreuung sichergestellt sei. Doch nach Protesten des Anwalts der Mutter besann sich die Verwaltung und verlegte die Frau gestern Nachmittag unter Bewachung bis zum Montag ins Krankenhaus zu ihrem Kind. Unklar ist, wie lange Mutter und Kind zusammenbleiben werden. Derzeit läuft ein Antrag auf erneute Prüfung der Untersuchungshaft.
Die Rechtsanwaltskammer nahm gestern die Lösung „mit Befriedigung“ zur Kenntnis, übte aber in einem Brief an den Regierenden Bürgermeister und Justizsenator Eberhard Diepgen (CDU) Kritik an den „Begleitumständen der Geburt“. Die Kammer verlangt die Einrichtung einer Mutter-Kind-Station für Notfälle. Sie forderte Diepgen auf, eine Gesetzesinitiative zur Untersuchungshaft in den Bundesrat einzubringen, um die Bedürfnisse von Mutter und Kind direkt zu regeln. Die Kammer kritisierte, dass Vertreter der Justizverwaltung den gegen die Mutter erhobenen Strafvorwurf nicht nur falsch dargestellt, sondern auch in den Vordergrund gestellt hätten. B. BOLLWAHN DE PAEZ CASANOVA
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen