: renate künast über apartheid und antibiotika
„Am besten mitten in den Laden stellen“
Renate Künast (45) ist Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft.
taz: Frau Künast, Sie saßen auf dem Podium „Wen wollen wir schlachten?“ Wen wollen Sie schlachten?
Renate Künast: Im übertragenen Sinne gesprochen: Ich will die alten Ideen schlachten, wie mit Tieren und Umwelt umgegangen wird. Doch das betrifft nicht irgendwelche bösen Figuren irgendwo weit weg. Ohne die Verbraucherinnen und Verbraucher geht gar nichts.
taz-Leser könnten denken, die Agrarwende betrifft nur die anderen, wir kaufen schließlich im Bioladen.
Schön wär’s. Ich glaube, letztlich gehen auch die taz-Leser zu Aldi. Deshalb brauchen wir nicht nur eine Subventionspolitik, die Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft fördert. Wir brauchen auch verbindliche Ökosiegel, die uns helfen, uns für oder gegen Bioprodukte zu entscheiden. Aber die Entscheidung treffen immer die Verbraucher.
Anders kaufen reicht?
Gerade bei taz-Lesern hoffe ich, dass sie heute so selbst bewusst sind, wie sie es früher bei Obst aus Südafrika waren. Da haben sie gefragt: Wissen Sie eigentlich, dass da Apartheid herrscht? Heute stellt man sich am besten mitten in den Laden und fragt laut: Wo kommt das her? Sind da wirklich keine antibiotischen Zusatzstoffe drin? Können Sie das garantieren?
Auf dem taz-Kongress nannten Sie das Subventionswirrwarr einen gordischen Knoten. Sind Sie Alexandra die Große?
Nein, dieses System lässt sich nicht mit einem Schwerthieb durchschlagen. Die Lobbygruppen halten an den Enden dieses Knotens fest, so dass man ihn nur nach und nach aufdröseln kann.
Ein Bauer aus dem Publikum sagte: Das wird nicht in Frieden gehen, dafür ist der Widerstand zu groß.
Wir müssen alle EU-Mittel zur Stützung des Agrarmarkts umverteilen zu Gunsten der Förderung des ländlichen Raums, also für Umweltschutzmaßnahmen und für artgerechtere Tierhaltung. Und wir müssen das Prämiensystem in der EU umstellen. Das geht nur mit anderen gemeinsam, vor allem brauchen wir Bündnispartner bei den anderen EU-Staaten.
Die Pessimisten sagen: Die Agrarwende endet genauso wie der Atomausstieg – auf dem Papier beschlossen, aber ohne konkrete Auswirkungen.
Die Agrarwende funktioniert anders als der Atomausstieg. Ein Atomkraftwerk wird nie umweltgerecht sein. Bei einem Bauernhof kann man dagegen viel verbessern: indem man den Stall umbaut, indem man die Fütterung umstellt, indem Subventionen anders verteilt werden. Aber es ist ein Prozess, wie das Wort Wende schon sagt.INTERVIEW: PATRIK SCHWARZ
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