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Frau Macchiavelli hat sich verrechnet

aus Berlin PATRIK SCHWARZ

Wenn Johann Legner sich mit Politikern befasst, endete das schon früher oft unangenehm für die Betroffenen. Als Sprecher von Stasi-Aufklärer Joachim Gauck ackerte er sich an der Seite seines Herrn jahrelang durch die Akten der versunkenen DDR. So manche hoffnungsvolle Karriere endete, wenn Gauck seine Funde öffentlich machte. Und gäbe es Johann Legner nicht, dann wäre auch Angela Merkel heute eine glücklichere CDU-Vorsitzende.

So ungefähr alles, was ihr in den vergangenen sieben Tagen das Leben schwer machte, wäre ihr erspart geblieben: Der Ärger um die unerwünschte Million, die Ex-Schatzmeister Leisler Kiep mal eben auf einem Parteikonto abgeladen hat. Die dummen Fragen, ob sie ihren Laden im Griff habe. Die Zweifel an ihrer Fähigkeit, 2002 Edmund Stoiber im Ringen um die Kanzlerkandidatur auszustechen.

Härter, als die Partei verträgt

Mit Stasi hat das nichts zu tun – seit Gauck in den Ruhestand wechselte, ist Legner wieder Journalist. Als Politikchef der Lausitzer Rundschau aus Cottbus hob er vergangene Woche die Enthüllung von Kieps ominöser Millionenüberweisung ins Blatt. Ein CDU-Präsidiumsmitglied hatte Legners Reportern den entscheidenden Tipp gegeben. So stürzte ausgerechnet eine brandenburgische Regionalzeitung die ostdeutsche Parteivorsitzende in ihre tiefste selbst verschuldete Krise.

Eine Woche ist seit der verhängnisvollen Veröffentlichung vergangen – und diese Woche hat viel über Angela Merkel, über die CDU und vor allem die Kluft zwischen beiden offenbart. Vor allem aber hat Angela Merkel bewiesen, dass sie härter ist, als ihre Partei es verträgt. Dass in der Partei das Flüstern vom „Missmanagments“ immer lauter wird, zeigt, wie wenig die immer noch vom Oppositionsdasein zerzausten Christdemokraten begriffen haben, über welches Kaliber ihre Vorsitzende verfügt: Angela Merkel ist Frau Macchiavelli. Sie hat ihre Partei im Umgang mit der Kiep-Million nicht im Stich gelassen, sie hat sie gedeckt – wenn auch um einen hohen Preis: Angela Merkel hat ihre Unschuld verpfändet. Das öffentliche Bild der CDU-Chefin als heiliger Johanna der Spendenaffäre ist endgültig perdu.

Im entscheidenden Moment hat sie sich auf ihren Ziehvater besonnen: Helmut Kohl. Mag sie auch später an seinem Sturz mitgewirkt haben, seine wichtigste Lektion hat sie beherzigt: Alle Politik ist Machterhalt. Als am Ende einer Woche im März im Berliner Adenauer-Haus die briefliche Ankündigung des Ex-Schatzmeisters Kiep eingeht, der Partei 1 Million Mark zu überweisen, steht ein Wahlsonntag unmittelbar bevor. Am 25. März muss Ministerpräsident Erwin Teufel (CDU) seine Mehrheit in Baden-Württemberg verteidigen, eine der letzten CDU-Hochburgen der Republik. Im benachbarten SPD-regierten Rheinland-Pfalz hofft die CDU zumindest auf ein Ergebnis mit der Signalwirkung: Wir sind wieder da – trotz Spendenaffäre. Die Nachricht einer weiteren Million aus Kieps Taschen hätte die Öffentlichkeit in einem stillen Verdacht bestätigt: Der Spendensumpf wirft immer noch Blasen. Die von der CDU erhofften Wahlergebnisse wären ernsthaft gefährdet gewesen.

Was in der Parteizentrale in der Berliner Klingelhöferstraße am Freitag vor der Wahl genau entschieden wurde, behält Frau Merkel bis heute für sich. Für den Vorgang, der aus der Kiep-Million das Kiep-Geheimnis machte, finden sich jedenfalls gute Gründe: Unklar sei der Kiep-Brief gewesen, heißt es jetzt, die Anwälte hätten noch Fragen gehabt, und das Geld sei im Übrigen noch gar nicht auf dem Konto eingetroffen. Selbst der streng vertraulich tagende CDU-Haushaltsausschuss wird erst am Montag, den 26. März, eingeweiht. Da sind die Landtagswahlen bereits ausgegangen wie erwünscht. Die Öffentlichkeit erfährt für weitere vier Wochen nichts.

Doch Frau Macchiavelli hat sich verrechnet. Ihre Strategie, am 23. April zwar den 50-köpfigen CDU-Vorstand ins Vertrauen zu ziehen, auf der Pressekonferenz die Million aber zu verschweigen, geht nicht auf. Für Merkel mag klar gewesen sein, dass sie als Parteichefin anders handeln musste denn als Generalsekretärin: Am Ende der Affäre Kohl konnte nur Aufklärung der CDU zu neuer Macht verhelfen – nun, da sie selbst einen Neuanfang verkündet hat, kann Aufklärung schnell gefährlich werden, für sie und die CDU. Manchen Christdemokraten mag das zu viel der Dialektik gewesen sein. Sie waren für so viel Macchiavellismus nicht zu haben. Wer auch immer der Lausitzer Rundschau den entscheidenden Tipp gab, ist letztlich gleichgültig, wie auch CDU-General Meyer rückblickend meinte. Seit die 50 Vorstandsmitglieder davon wussten, sei klar gewesen, dass man die Geschichte nicht unter der Decke habe halten können. Mit einer CDU wie dieser lässt sich schlecht Macchiavelli spielen.

Merkels Konsequenz: Mauern

Als der Vorgang schließlich bekannt ist, verpasst Merkel ihre letzte Chance, vom vergangenen Aufklärer-Ansehen zu profitieren. In der Kohl-Affäre hatte sie sich ungeachtet ihrer acht Ministerjahre im Kabinett an die Spitze der Aufklärer gestellt. Diesmal mauerte sie.

Auf Besuch in den USA eilt Angela Merkel zum Gespräch mit Henry Hyde, dem Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses im Repräsentantenhaus. In Deutschland ist die Kiep-Spende das große Thema. Ein Fernsehreporter spricht sie auf die Million an. „Welche Million?“, kommt zur Antwort. Drei Tage bleibt sie bei ihrem Kurs. Nach achtstündigem Rückflug von New York war sie noch keine 40 Minuten in Berlin zurück, da schob sie die Schuld für die Vertuschung weiter. „Eine Zumutung“ des Herrn Kiep sei es, der CDU eben mal so eine Million zu überweisen. „Ich find’s keine Zumutung“, konterte Kiep kühl. Angela Merkel ist nicht die Einzige, die bei Helmut Kohl gelernt hat.

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