Ein Testballon namens Joschka

aus Paris DOROTHEA HAHN

Nichts Neues aus Berlin. So ist der Tenor der wenigen Pariser Reaktionen auf die Europapläne des deutschen Bundeskanzlers. Die meisten PolitikerInnen und Medien befassten sich erst gar nicht mit Schröders Europa oder brachten nur eine Kurzmeldung.

Die demonstrative Zurückhaltung ist nicht nur Folge eines verlängerten Wochenendes. Sie hängt auch mit einem politischen Déjà-vu zusammen: Vor einem Jahr machte der deutsche Außenminister ziemlich identische Vorschläge – und löste in Paris Verwerfungen aus, die bis heute nicht geglättet sind.

Das sind „Positionen, die wir gut kennen“, erklärte der Sprecher des französischen Außenministers am Montag zurückhaltend. Die offizielle deutsche Darstellung, wonach Joschka Fischer im letzten Mai als „Privatmann“ in der Humboldt-Uni über die „konstitutionelle Neugründung Europas“ gesprochen habe, hat schon damals in Paris niemand geglaubt. Die rot-rosa-grüne Regierung verstand, dass Fischer einen Testballon für Schröder steigen ließ – und reagierte entsprechend: Ein Teil der Koalition, darunter Außenminister Hubert Védrine, enthielt sich jedes öffentlichen Kommentars und versuchte die Differenzen hinter verschlossenen Türen zu klären. Doch die deutsch-französischen Divergenzen halten bis heute an und die klare europapolitische Positionierung der Pariser Regierung steht weiterhin aus.

Jener Graben zwischen „FöderalistInnen“ einerseits und „SouveränistInnen“ andererseits geht quer durch die französische Öffentlichkeit und spaltet sowohl die Linke als auch die Rechte. Die Franzosen, die in Sachen Euro-Einführung entschieden pragmatischer sind als die Deutschen, haben in Sachen politische Kompetenzabgabe enorme Bedenken. Bei der Linken sind die SouveränistInnen bei den Kommunisten und der sozialistennahen Bürgerbewegung zu finden. Rechts sitzen sie sowohl innerhalb der einst von Staatspräsident Jacques Chirac gegründeten neogaullistischen RPR als auch rechts von ihr. Bloß bei der sozialdemokratischen PS und den Grünen sowie der rechtsliberalen UDF sind die Föderalisten in der Mehrheit.

Ein Jahr vor den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in Frankreich hat Schröder seinen FreundInnen in Paris keinen Gefallen getan. Denn im Gegensatz zu den deutschen PolitikerInnen versuchen diese möglichst viel vom Euro und möglichst wenig von der politischen Integration und dem damit einhergehenden nationalen Einflussverlust zu reden.