: Zwangsscheidung erneut vertagt
Das Kairiner Familiengericht kann sich im brisanten Fall der ägyptischen Frauenrechtlerin Nawal as-Saadawi zu keiner Entscheidung durchringen. Es will am 30. Juli erneut verhandeln, ob as-Saadawi von ihrem Mann geschieden wird
von HEIKE STRUCK
„Dieses Verfahren ist total illegal. Wir waren sehr erstaunt, dass es vertagt wurde. Wir hatten erwartet, dass die Anklage abgeschlagen wird.“ So kommentierte die ägyptische Frauenrechtlerin Nawal as-Saadawi die gestrige Entscheidung des Kairiner Familiengerichtes, ihren Fall auf den 30. Juni zu vertagen. Nur fünf Minuten dauerte der Gerichtstermin.
Die 70-jährige as-Saadawi soll von ihrem Mann Scharif Hatata (78) zwangsweise geschieden werden. Bereits am 18. Juni hatten Saadawi und Hatata vor den Richtern gestanden. Vier Stunden hatten der gegnerische Anwalt und seine islamistischen Unterstützer lautstark mit dem angeklagten Paar und seinen Begleitern aus internationalen Menschenrechtsgruppen, dem ägyptischen Schriftstellerverband und tunesischen Anwältinnen in dem Hisbah-Verfahren gestritten.
Die Hisbah ist ein jahrhundertealtes islamisches Gesetz, das ursprünglich gläubige Bauern vor ihren Herrschern schützen sollte. Das zur Scharia, dem traditionellen islamischen Recht, zählende Gesetz hat sich in Ägypten bis heute gehalten. In den letzten Jahren wird die Hisbah von konservativen islamischen Kräften genutzt, um gegen Oppositionelle wie Nawal as-Saadawi vorzugehen. Weil sie vom Glauben abgefallen sei, dürfe sie nicht mehr mit ihrem Mann Scharif Hatata verheiratet sein, so der Vorwurf des islamistischen Anwalts Nabih al-Wasch gegen die Frauenrechtlerin und Ärztin
Was ursprünglich eine Straftat war, wird nun vor dem Familiengericht verhandelt, denn, so der Anwalt: „Kein Muslim darf mit einer Abtrünnigen verheiratet sein.“ Al-Wasch hatte in der Vergangenheit bereits mehrere Hisbah-Anklagen angestrengt, einige richteten sich gegen Personen im Ausland: Queen Elisabeth, Tony Blair und Bill Clinton sind seine prominentesten Opfer.
„Es gibt in Ägypten jetzt keine Zwangsscheidung mehr, Abu Said hätte heute nichts zu befürchten“, erklärte der ägyptische Religionsminister dagegen Anfang Juni in einem Spiegel-Interview und spielte auf eine Gesetzesänderung an: Bis vor einigen Jahren durfte jeder Muslim vor Gericht gehen und ein Hisbah-Verfahren beantragen, wenn er die religiöse Ordnung in Gefahr sah. Nachdem der Fall des 1995 zwangsweise von seiner Frau geschiedenen Literaturprofessors Nasr Hamid Abu Said für heftige internationale Kritik gesorgt hatte, änderte die ägyptische Regierung das Gesetz und verfügte, dass künftig nur noch der Generalstaatsanwalt ein Hisbah-Verfahren einleiten dürfe.
In der Klemme zwischen islamistischer Grundstimmung im Land und US-amerikanischen Wirtschaftsbeziehungen hatte die autoritäre Regierung Mubaraks die Hisbah nicht einfach abgeschafft, sondern versucht, die Anklagehoheit in Zwangsscheidungsverfahren an sich zu ziehen. Ägyptens Generalstaatsanwalt Mahir Abd al-Wahhab hatte as-Saadawi schon im Mai zugesichert, dass es keine Zwangsscheidung und kein Verfahren wegen Abfalls vom Glauben gegen sie geben werde. Trotzdem steht sie jetzt vor Gericht. Der nächste Termin steht schon fest: Am 22. Juli soll sich Nawal as-Saadawi vor einem Strafgericht verantworten.
Anlass für beide Verfahren war ein Interview, das die Frauenrechtlerin der Kairiner Wochenzeitung Al-Midan gegeben hatte. Darin hatte sie sich über vorislamische Rituale geäußert, die im Islam übernommen worden sind. „Eigentlich haben wir über Frauenrechte geredet“, erinnert sich as-Saadawi an das Gespräch mit dem Redakteur.
As-Saadawi, deren Bücher in dreißig Sprachen übersetzt wurden, wird weltweit von Menschenrechtlern unterstützt.
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