piwik no script img

Keine Kameraderie

■ Prozess gegen Vollzugsbeamten, der eine Gefangene missbraucht haben soll

Politisch hat der Fall längst Konsequenzen nach sich gezogen: Senatorin Lore Maria Peschel-Gutzeit (SPD) hatte 1998 nach Bekanntwerden des Verdachts, eine Gefangene sei im Vollzugskrankenhaus von einem Pfleger sexuell missbraucht worden, angeordnet, dass weibliche Insassen nur von weiblichen Bediensteten behandelt werden. Die Justiz hingegen hat über zwei Jahre gebraucht, um den Fall vor Gericht zu bringen: Ges-tern eröffnete das Amtsgericht das Verfahren gegen den angeklagten Vollzugsbeamten B.

Der „bestreitet die Vorwürfe pauschal“, richtete er über seinen Anwalt aus. Laut Anklage hatte der jetzt 50-jährige Familienvater der Frau immer wieder Bonbons, Schokolade und Zigaretten mitgebracht. Dafür musste sie sich innerhalb von zwei Monaten sechsmal von ihm anfassen lassen und ihn sexuell befriedigen. Die Frau hatte sich seinerzeit einer Anstaltspsychologin anvertraut. Da sie ihr Geld als Prostituierte verdient und wiederholt Freier um ihr Geld betrogen haben soll, äußerte Rechtsanwalt Uwe Maeffert gestern Zweifel an ihrer Glaubwürdigkeit. Die Frau wurde unter Ausschluss der Öffentlichkeit vernommen.

Wenige Monate, ehe diese Gefangene von ihrem Pfleger miss-braucht worden sein soll, hatte eine andere Frau einen Vollzugsbediensteten der sexuellen Nötigung beschuldigt. Der hatte daraufhin Selbstmord begangen. Zwei Kollegen sollten dessen Taten zuvor gedeckt haben. Weil Justizsenatorin Peschel-Gutzeit eine „Mauer des Schweigens“ befürchtete, hatte sie den damaligen Generalstaatsanwalt Arno Weinert mit einer Studie über „Kameraderie“ im Vollzug beauftragt und alle weiblichen Gefangenen nach ähnlichen Erlebnissen befragen lassen. Ihre Befürchtungen bestätigten sich aber nicht.

Per Prozess wird am kommenden Freitag fortgesetzt.

Elke Spanner

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen