: Bush sieht sich auf einem Kreuzzug
Die USA mobilisieren weltweit Unterstützung und planen im Land mehr Kompetenzen für CIA und FBI. Die Rhetorik des Präsidenten wird kriegerischer
von BERND PICKERT
Die Kriegsvorbereitungen laufen auf Hochtouren. US-Flugzeugträger sind auf dem Weg in die Golfregion, gleichzeitig gibt sich die US-Regierung alle Mühe, möglichst viele Staaten der Welt zu einer Kooperationserklärung zu bewegen – nicht ohne dabei diplomatischen Druck aller Art auszuüben.
Der Irak, dessen Führer Saddam Hussein offenbar aus Angst, erneut zur Zielscheibe US-amerikanischer Militäroperationen zu werden, seine zunächst ausgedrückte offene Freude über die Anschläge in New York und Washington am Wochenende vorsichtig zurückgenommen hatte, warnte unterdessen die arabische Welt, sich der US-amerikanischen Anti-Terror-Allianz anzuschließen. Die irakische Regierungszeitung Al-Thawra rief die arabischen Staaten zur Geschlossenheit auf. „Bei den Explosionen in den USA handelt es sich um eine innere Angelegenheit“, sagte Iraks Vizepräsident Taha Jassin Ramadan gestern in Bagdad. Ergo sei auch der Versuch der USA, die Zusammenarbeit der arabischen Staaten zu gewinnen, eine Einmischung in interne arabische Angelegenheiten. Der Irak ist der einzige Staat, der den USA bislang keine Zusammenarbeit angeboten hat.
Der libysche Staatschef Muammar al-Gaddafi sagte am Wochenende, grundsätzlich hätten die USA ein Recht auf Vergeltung. Ein Militärschlag gegen Afghanistan jedoch werde die Probleme, die zu Terrorismus führten, nicht lösen.
In Camp David, dem Hochsicherheitslandsitz des US-Präsidenten, tagte am Wochenende gleich zweimal der nationale Sicherheitsrat der USA. Gestern wollte sich Präsident Bush im Pentagon mit seinem Generalstab treffen, um militärische Pläne beraten. Aber was genau geplant ist, kann nach wie vor nur vermutet werden.
Umso martialischer wird die Sprache der Regierenden. Vor Journalisten sagte Bush am Sonntag: „Es ist eine neue Spielart des Bösen. (. . .) Der Kreuzzug, der Krieg gegen Terrorismus wird eine Weile dauern. Das amerikanische Volk muss Geduld haben. Ich werde Geduld haben. Aber ich kann dem amerikanischen Volk versichern, dass ich entschlossen bin. Ich werde mich nicht abbringen lassen. (. . .) Es ist an der Zeit, den ersten Krieg des 21. Jahrhunderts entscheidend zu gewinnen, damit unsere Kinder und Enkel in diesem 21. Jahrhundert in Frieden leben können.“ Und um auch ja allen Kommentaren im eigenen Land zuvorzukommen, die der Regierung das bisherige Ausbleiben eines schnellen Militärschlages als Schwäche auslegen könnten, sagte Bush: „Ich möchte das amerikanische Volk daran erinnern, dass die Organisation des Hauptverdächtigen sich in vielen Ländern befindet. Es ist eine weit verzweigte Organisation, die auf einer Gemeinsamkeit aufbaut: Terror. Sie können die Freiheit nicht ertragen, sie hassen Amerika für das, wofür es steht. Es wird ein langer, entschiedener Feldzug werden, der die Ressourcen der Vereinigten Staaten nutzt, um zu siegen. Sie haben einen mächtigen Giganten geweckt. Unterschätzen Sie uns nicht: Wir sind entschlossen.“
Gleichzeitig warnen zahlreiche US-Politiker, die Anschlagsserie könnte noch nicht vorbei sein: „Es kann gut sein, dass noch andere Operationen geplant wurden und derzeit vorbereitet werden“, warnte Vizepräsident Dick Cheney. Und der demokratische Senator Bob Graham aus Florida, Vorsitzender des Geheimdienstausschusses des Senats, sagte: „Das war nicht notwendigerweise ein einzelner Angriff, sondern womöglich Teil eines größer angelegten Plans.“
Kein Wunder also, dass die Diskussion über eine Verschärfung der inneren Sicherheit und eine Ausweitung der Kompetenzen der Geheimdienste in atemberaubendem Tempo vorangeht. Justizminister John Ashcroft will dem Kongress eine Gesetzesinitiative vorschlagen, um die Befugnisse des FBI zu Lauschangriffen zu erweitern. Und Außenminister Colin Powell lässt prüfen, ob die Kompetenzen des Geheimdienstes CIA wieder erweitert werden sollten: Insbesondere das 1976 von Präsident Gerald Ford eingeführte Verbot der Beteiligung an politischen Morden soll überdacht werden. Wenn der Umgang mit Terroristen bedeute, sagte Senator Graham, dass „wir die Vollmacht haben müssen, Leute umzubringen, bevor sie uns umbringen“, dann solle das ohne Einschränkung möglich sein.
Graham will einen eigenen Gesetzesvorschlag in den Kongress einbringen: Demnach soll ein Anti-Terrorismus-Beauftragter ernannt werden, der CIA soll es ermöglicht werden, Kriminelle als Agenten anzuheuern, und die Kapazitäten des Übersetzungsdienstes der CIA sollen erweitert werden. „Wir überprüfen alles“, sagte Außenminister Powell: „wie die CIA arbeitet, wie FBI und Justizministerium arbeiten und ob es Gesetze gibt, die überarbeitet werden müssen, beziehungsweise ob neue Gesetze vonnöten sind, um mit dieser Bedrohung fertig zu werden.“
Vizepräsident Cheney erläuterte inzwischen in seinem ersten öffentlichen Auftritt seit Dienstag, Bush und er hätten vor dem Aufprall der dritten entführten Maschine auf das Pentagon die Order zum Abschuss von Zivilflugzeugen gegeben, die von ihrer Flugroute abweichen und auf Warnungen nicht reagieren. Nach Informationen aus dem Verteidigungsministerium sei es nur deshalb nicht dazu gekommen, weil die Warnungen der Luftfahrtbehörde, nach den beiden ins World Trade Center gestürzten Maschinen seien zwei weitere gekidnappte Flugzeuge in der Luft, zu spät hätten beantwortet werden können. Erst sechs Minuten nach dem Crash der ersten Maschine ins World Trade Center seien nach Informationen von CNN überhaupt Kampfflieger aufgestiegen – doch waren sie auch zum Zeitpunkt des Absturzes der dritten Maschine aufs Pentagon noch zu weit entfernt, um ins Geschehen eingreifen zu können.
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