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Wahlsieger haben es eilig

Hamburger CDU, FDP und Schill-Partei treffen sich zu ersten Gesprächen. Im Oktober ein neuer Senat mit Exgeneralbundesanwalt Stahl? Wahlverlierer SPD leckt Wunden, Grüne schlagen sich neue

aus Hamburg SVEN-MICHAEL VEIT

Die Sieger der Hamburger Bürgerschaftswahl können das Regieren kaum erwarten. Gestern traf sich der CDU-Spitzenkandidat Ole von Beust bereits zu Sondierungsgespärchen mit FDP-Chef Rudolf Lange und dem rechtspopulistischen Richter Ronald Schill. Erste Ergebnisse sollten am Abend verkündet werden. Deutlich wurde jedoch bereits das Tempo, das das Dreierbündnis vorlegt: Ende Oktober dürfte, so der Fahrplan, der erste SPD-freie Hamburger Senat seit 1957 vereidigt werden.

Bei der Wahl am Sonntag hatte der so genannte Bürgerblock eine klare Mehrheit von 64 zu 57 Mandaten in der Bürgerschaft errungen. Die Schill-Partei kam bei ihrer ersten Kandidatur gleich auf 19,4 Prozent und 25 Mandate. Schill drohte nach einer ersten Sitzung seiner künftigen Fraktion an, auch bei der Bundestagswahl anzutreten. Die Ausdehnung der Schill-Partei nach Schleswig-Holstein scheint schon beschlossene Sache, Kandidaturen bei den Wahlen in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern im nächsten Jahr sind wahrscheinlich.

In Hamburg wird derweil über die künftigen SenatorInnen spekuliert. Gesetzt sind Ole von Beust als neuer Regierungschef und Ronald Schill als Innensenator. FDP-Chef Lange wird wohl den Bereich Bildung und Wissenschaft übernehmen. Im vermutlich von derzeit zwölf auf zehn Ressorts schrumpfenden Kabinett dürften die CDU-Bundestagsabgeordneten Gunnar Uldall für die Finanzen und Birgit Schnieber-Jastram für das Soziale zuständig sein. Ein heftiges Gerangel könnte bei der Besetzung des Justizressorts ausbrechen. Schill hat dafür den ehemaligen Generalbundesanwalt Alexander von Stahl im Auge. Der ist zwar FDP-Mitglied, als Nationalliberaler aber ein Mann nach Schills Geschmack. Die CDU versucht, den sächsischen Innenminister Klaus Hardraht an die Elbe zurückzulocken. Als Parteiloser war Hardraht bereits von 1993 bis 1995 Hamburger Justizsenator für die Statt-Partei.

SPD und Grüne haben sich inzwischen mit ihrer Niederlage abgefunden. „Das Heft des Handelns haben jetzt andere in der Hand“, räumte Noch-Bürgermeister Ortwin Runde (SPD) ein. Zwar seien die Sozialdemokraten als stärkste Partei „zu Gesprächen bereit“, wenn CDU, FDP und Schill zu keiner Übereinkunft kämen. „Wir können uns aber auch auf vier Jahre konstruktive Oppositionsarbeit einrichten“, so Parteichef Olaf Scholz. Der Wähler habe den rot-grünen Senat abgewählt, diese Entscheidung sei „,zu akzeptieren“. Runde ließ offen, ob er als Oppositionsführer zur Verfgung stehe. Auf einem Parteitag am Freitag und auf einer „Strategiekonferenz“ im November will sich die SPD neu sammeln.

Hamburgs Grüne, die von 13,9 auf 8,5 Prozent abstürzten, haben den Weg in die Opposition bereits angetreten. Nach einer Sitzung des Landesvorstandes sagte Parteisprecher Kurt Edler, die GAL übernehme „,die Verantwortung“ für das desaströse Ergebnis. Gestern Abend wollte die GAL auf einer Mitgliederversammlung über die Folgen der Wahlschlappe diskutieren. „Ein Schlachtfest wird es nicht geben“, vermuteten führende Grüne. Die Niederlage sei nicht allein Spitzenkandidatin Krista Sager anzulasten, die gesamte Partei müsse sich jetzt der neuen Herausforderung stellen. Ein prominenter Parteilinker allerdings schloss nicht aus, dass auf der Versammlung „eher Wunden schlagen als Wunden lecken“ angesagt sei.

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