: Nur Qualität zählt
Muslim klagt wegen Schächtung. Auch Bundesregierung verteidigt in Karlsruhe das Schlachten ohne Betäubung
KARLSRUHE taz ■ Das Schächtverbot für Muslime könnte demnächst fallen. Gestern verhandelte das Bundesverfassungsgericht über die Klage des muslimischen Metzgers Rüstem Altinküpe, der entsprechend den islamischen Vorschriften ohne Betäubung schlachten möchte. Geht man nach dem Verlauf der Anhörung, stehen seine Chancen gut.
Grundsätzlich ist im deutschen Tierschutzgesetz vorgeschrieben, dass ein Tier vor der Schlachtung zu betäuben ist. Eine Ausnahmegenehmigung kann jedoch erteilt werden, wenn „zwingende Vorschriften einer Religionsgemeinschaft das Schächten vorschreiben“. Von 1990 bis 1995 hatte Altinküpe für seinen Betrieb bei Gießen eine solche Ausnahmegenehmigung. Dann jedoch entschied das Bundesverwaltungsgericht in einem anderen Fall, Muslimen sei das rituelle Schlachten nicht zwingend vorgeschrieben.
Vor dem Verfassungsgericht beklagt er nun nicht nur einen Eingriff in die Religionsfreiheit, sondern auch eine Ungleichbehandlung mit den jüdischen Gemeinden. Diese haben in München, Berlin und Frankfurt am Main Genehmigungen zum Schächten erhalten und können so die Fleischversorgung deutscher Juden zumindest teilweise im Inland sicherstellen. „Muslime werden dagegen auf Importfleisch verwiesen, bei dem man nicht sicher weiß, ob das Schlachttier korrekt geschächtet wurde“, kritisierte gestern Nadeem Elyas, der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland.
Gegen das Schächten argumentierte in Karlsruhe nur die Vertreterin des Deutschen Tierschutzbundes, Evelyn Ofensberger. Sie machte geltend, dass die Tiere sowohl beim Fixieren als auch nach dem Durchschneiden der Kehle leiden: „Bei Rindern dauert es oft mehr als eine Minute, bis sie das Bewusstsein verlieren.“ Sie verlangte, dass vor dem Schächten zumindest eine Elektro-Kurzzeitbetäubung durchgeführt wird. Dagegen hielt der Vertreter der Bundesregierung, der Trierer Rechtsprofessor Gerhard Robbers, das Schächten für eine „noch akzeptable Schlachtmethode“. So würden die Tiere zum Beispiel vor dem Schlachten gezielt beruhigt. Auch die religiösen Vorschriften dienten schließlich, so Robbers, dem Tierschutz. Im Übrigen sei eine „multikulturelle Gesellschaft zu religiöser Toleranz verpflichtet.“
Keine Rolle spielte in Karlsruhe überraschend das Problem, das vor dem Bundesverwaltungsgericht bereits zwei Mal im Mittelpunkt gestanden hat: Welche Institution bestimmt eigentlich, was für Muslime religiös vorgeschrieben ist? Die Verfassungsrichter begnügten sich mit einer Versicherung des Zentralrats der Muslime, alle muslimischen Verbände in Deutschland gingen davon aus, dass das Schächten „vom Islam zwingend vorgeschrieben ist“. Ein entgegenstehendes Gutachten der ägyptischen Al-Azhar-Universität übersehe, so Nadeem Elyas, dass Muslime in Deutschland „nicht in einer Notsituation leben“. Die Verfassungsrichter interessierten sich mehr für die Frage, wie man einen möglichst hohen Qualitätsstandard beim Schächten sicherstellen könne. Mit einer Entscheidung ist erst in einigen Wochen zu rechnen.
CHRISTIAN RATH
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen