: Acht Grüne springen ab
Bundeskanzler Schröder verliert voraussichtlich bei der Abstimmung über den Bundeswehr-Einsatz Regierungsmehrheit. Bundesregierung auf Stimmen der Opposition angewiesen
BERLIN taz ■ Bundeskanzler Gerhard Schröder beginnt die Woche ohne eigene Mehrheit im Parlament. Nachdem am Wochenende acht grüne Bundestagsabgeordnete schriftlich ihr Nein zu einer Entsendung deutscher Soldaten in den Afghanistankrieg angekündigt haben, wird die Bundesregierung bei der Abstimmung auf die zugesagte Unterstützung der Opposition aus CDU/CSU und FDP angewiesen sein. Bleiben die acht Grünen bei ihrem Votum, nützen dem Kanzler selbst seine angekündigten Versuche nichts mehr, die Kriegsgegner in den Reihen der SPD-Abgeordneten zurückzugewinnen. Über ihre Zahl wird weiter spekuliert.
Schröder rechnet offenbar selbst nicht mehr mit einer rot-grünen Mehrheit. Dem Magazin Focus sagte er: „Ich hoffe und wünsche mir eine eigene Mehrheit, aber garantieren kann das niemand.“ Unions-Fraktionschef Merz (CDU) und CSU-Chef Stoiber forderten Schröder auf, in diesem Fall zurückzutreten. Nach Schröders Eingeständnis stellt zwar kein führender Koalitionspolitiker mehr einen direkten Zusammenhang zwischen der Abstimmung und der Zukunft des rot-grünen Bündnisses her. Allgemein herrscht aber die Ansicht vor, die Koalition könne nicht auf Dauer ohne eigene Mehrheiten in so wichtigen Fragen regieren.
In der taz warnen dagegen die Grünen-Politiker Ralf Fücks und Daniel Cohn-Bendit vor falschen Eindeutigkeiten: „In dieser Lage hat jeder Versuch, Partei, Fraktion und Minister auf eine einheitliche Position festzulegen, etwas Selbstzerstörerisches.“ Sie plädieren daher für eine Aufhebung des Fraktionszwangs bei der Abstimmung am Donnerstag. Der Bundeskanzler bestritt am Wochenende, dass die Bereitstellung deutscher Soldaten eine Gewissensentscheidung sei. „Ein Bundestagsabgeordneter gehört zur politischen Elite des Landes. Da muss ich die Einsicht in die außen- und sicherheitspolitischen Notwendigkeiten erwarten.“ PATRIK SCHWARZ
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