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„Grün muss sagen: Hier ist Schluss!“

Christian Ströbele votiert gegen Militäreinsatz: Das Land hat bis 1998 seine Rolle gespielt – ohne Krieg zu führen

taz: Herr Ströbele, in Afghanistan scheint sich nach dem Vormarsch der Nordallianz die Möglichkeit aufzutun, das Taliban-Regime zu überwinden. Was empfinden Sie bei der Aussicht, den mutmaßlichen Inspirator der Anschläge in den USA dingfest machen zu können?

Christian Ströbele: Ich war von Anfang dafür, dass man Bin Ladin und seine al-Qaida vor ein Gericht stellt. Und auch mit Gewalt vorgeht, wenn er nicht willig ist. Da kann es keine Frage geben. Ich glaube aber nicht, dass die neueste militärische Entwicklung die Hoffnung rechtfertigt, dass der Krieg schnell zu Ende gehen würde. Ich fürchte, der Krieg wird unendlich viele Opfer fordern, aber die Taliban wird es noch sehr lange geben.

Was ist der Unterschied zwischen der Gewalt, die Sie um der Gerechtigkeit willen fordern, und der, die Sie als Mitglied einer Regierungskoalition ablehnen?

Hier wird Krieg gegen Städte, Dörfer und ein Land geführt. Aber keine polizeiartige gezielte Aktion, wie die Grünen das als pazifistische Partei gefordert haben. Wegen mir mit Soldaten und gesichert durch Hubschrauber.

Möglicherweise gehen ja bald zwei Regierungen über den Jordan. Die der Taliban in Afghanistan und die rot-grüne Regierung in Berlin. Wollen Sie, dass Rot-Grün überlebt?

Ja, ich bin ein Verfechter dieser Koalition. Ich glaube nicht, dass die Koalition an dieser Frage zerbrechen wird – selbst wenn Rot-Grün am Donnerstag keine eigene Mehrheit im Bundestag zustande bringt.

Sie sind optimistisch!

Die SPD weiß doch, dass die Grünen ihr in dieser Krieg-oder-Frieden-Frage die Flanke sichern. Wir Grüne haben Probleme mit dem Kieg, die sonst die SPD hätte. Wir mit unseren schmerzhaften Auseinandersetzungen haben die großen Opfer des Krieges, wenn man’s mal militärisch ausdrücken will. Westerwelle und die SPD können hier die Grünen nicht ersetzen. Die SPD und ihre linke, friedensbewegte Flanke müsste alles alleine aushalten. Daran kann Gerhard Schröder kein Interesse haben.

Fürchten Sie als Mitbegründer nicht, das Läuten der Totenglöckchen für Ihre Partei zu beschleunigen?

Ich glaube, dass uns eher die Alternative den Garaus machen würde – nämlich jetzt weiter alles mitzumachen. Die Grünen müssen glaubhaft machen: ‚Hier ist Schluss! Wir sind noch die Partei der Friedensbewegung.‘

Sie unterminieren dabei die Politik der rot-grünen Bundesregierung in Europa. Was sollen denn die europäischen Partner mit den hochfliegenden Plänen von Joschka Fischer anfangen, wenn nicht sicher ist, ob seine eigene Partei da mitmacht?

Neuorientierung deutscher Außenpolitik kann nicht heißen, dass Krieg wieder ein Mittel der Politik ist. Wir sind doch nicht wieder wer und erwachsen, weil wir wieder Krieg mitführen. Das darf nicht wahr sein! Die Bundesrepublik hat vor 1998 eine entscheidende Rolle bei der europäischen Integration und in der Welt gespielt – wohlgemerkt, ohne Kriege zu führen.

Wäre es nicht aufrichtiger, ihr Nein zum Krieg zu einem konsequenten Nein zur Nato auszuformulieren?

Ich war noch nie ein Freund der Nato. Jetzt habe ich den Eindruck, dass es die USA sind, die sagen „Nein zur Nato“. Sie führen den Krieg gegen Afghanistan allein, ohne Nato gemeinsam mit uns und anderen – und unter ihrem Kommando.

INTERVIEW: CHRISTIAN FÜLLER

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