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Wie viel Verunreinigung darf’s sein?

Auf dem Diskurs „Grüne Gentechnik“ streiten die Verbände über das Maß an gentechnischer Verunreinigung, das in Nahrung erlaubt sein soll. Biobauern fürchten massive Probleme, weil für sie auch zufällige Beimengung von Genfood schädigend wäre

aus Berlin MATTHIAS URBACH

„Wir befinden uns in einem Labyrinth ohne Ausgang.“ So beschrieb gestern das Bioland-Vorstandsmitglied Thomas Dosch die Lage der Biobauern. Dosch war zusammen mit anderen Vertretern von Umweltschutz- bis zu Industrieverbänden zum Diskurs „Grüne Gentechnik“ auf Einladung der Verbraucherministerin in Berlin erschienen. Thema war die Kennzeichnung gentechnisch veränderter Organismen (GVOs) in Lebensmitteln.

Aus Doschs Sicht wird die Kennzeichnung wenig nutzen. Denn den Biobauern sei es praktisch unmöglich, auf Dauer zu verhindern, dass ihre Bioware nicht doch, etwa per Pollenflug, mit GVOs verunreinigt wird. „Wenn die Regierung ihr Ziel ernst nimmt, den Ökolandbau auf 20 Prozent zu vergrößern“, so Dosch, „muss sie sich von der Illusion verabschieden, dass es ein Nebeneinander von grüner Gentechnik und Ökolandbau geben kann“. Dennoch wird die grüne Gentechnik kommen, wenn 2003 das sie betreffende EU-Moratorium abläuft.

Immerhin hat die EU-Kommission die Zeit gut genutzt. Im Sommer stellte sie zwei neue Richtlinien für Lebensmittel vor: Das Ergebnis überraschte selbst Umweltschützer positiv. Man sei auf dem richtigen Weg, stellte gestern etwa Greenpeace fest.

Nach den vorliegenden Entwürfen wird es keine Unterscheidung mehr zwischen Futter- und Lebensmitteln geben, beide unterliegen denselben strengen Auflagen. Auch soll das lang kritisierte Notifizierungsverfahren abgeschafft werden: Danach wurden zwölf Genprodukte im vereinfachten Verfahren zugelassen, bei denen das manipulierte Erbgut im Produkt – etwa Mehl oder Öl aus insektenresistentem Mais – nicht mehr nachweisbar war. Schließlich sieht die EU-Kommission nun strenge Auflagen für die Rückverfolgbarkeit von GVOs vor.

Umstritten bleibt, wie man mit gentechnischer Verunreinigung von Produkten konventioneller Fertigung umgeht – ob durch Vermischung im Getreidesilo, durch Pollenflug vom Nachbarfeld oder durch vermengtes Saatgut. Für solche „unbeabsichtigte Kontamination“ sieht die Richtlinie einen Schwellenwert von 1 Prozent vor, der erlaubt bleiben soll. Diese Richtlinien empfahl nun auch der zuständige Staatssekretärsausschuß der Bundesregierung, wie Verbraucherstaatssekretär Alexander Müller gestern mitteilte. Allerdings schlage das Gremium „Nulltoleranz“ für die Verunreinigung mit GVOs vor, die in der EU noch nicht zugelassen sind.

Mit diesen Werten hat die Industrie Probleme, sie würde lieber 2 oder gar 5 Prozent haben und verweist auf die hohen Kosten einer schärferen Kontrolle. Der Umweltverband BUND verlangt dagegen auch für zugelassene GVOs Nulltoleranz.

So oder so: Wer künftig garantiert GVO-freies Essen haben möchte, wird dafür mehr Geld ausgeben müssen, und die Kostenschere wird sich weiter zu Lasten gesunder Nahrung öffnen. „Das Akzeptieren von Schadschwellen“, sagt Dosch, „ist eine Kapitulation vor dem eigentlichen Problem.“

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