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Arme Ministerin findet Geldquelle

Als erstes Mitglied der Bundesregierung setzt sich Heidemarie Wieczorek-Zeul für die Einführung der Tobin-Steuer auf Devisengeschäfte ein. Die Finanzierung von Entwicklungshilfe wäre ein Vorteil neben der Milderung von Finanzkrisen

von KATHARINA KOUFEN

Die Tobin-Steuer gewinnt an Bedeutung: Gestern plädierte mit Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul erstmals ein deutsches Regierungsmitglied für die Einführung einer Steuer auf Devisengeschäfte. Bei der Vorstellung einer Studie, die das Ministerium in Auftrag gegeben hatte, sagte die SPD-Politikerin: „Wir müssen offen und ohne Scheuklappen über diese Möglichkeit diskutieren. Aber ich hätte ja keine Untersuchung in Auftrag gegeben, wenn ich eine solche Steuer nicht für ein mögliches Instrument halten würde.“

In der Studie schlägt der Autor, Paul Bernd Spahn, ein Zwei-Stufen-Modell vor: Zunächst soll eine geringe Steuer von 0,1 Prozent generell für Devisengeschäfte gelten. Sie würde europaweit Einnahmen „von rund 17 Milliarden Euro pro Jahr“ bringen, rechnet Spahn vor – Geld, das für Entwicklungshilfe verwendet werden könnte und auf das Wieczorek-Zeul in Zeiten knapper Kassen hofft. Eine Lenkungswirkung hätte diese Steuer wegen ihrer geringen Höhe jedoch kaum.

Deshalb plädiert der Frankfurter Wirtschaftsprofessor Spahn darüber hinaus für eine sehr hohe Steuer „von 50, 80 oder gar 100 Prozent“. Sie soll nur dann erhoben werden, wenn eine Währung gehandelt wird, deren Kurs zu stark schwankt. Sobald der Euro etwa unter einen festgelegten Mindestkurs zum Dollar fällt, tritt die Steuer in Kraft – und macht Dollargeschäfte unattraktiv. Der Wechselkurs würde sich „quasi automatisch“ wieder einpendeln, so Spahn.

James Tobin, der eine ähnliche Steuer in den 70er-Jahren erdachte, wollte die Einnahmen an die UNO oder eine ähnliche Organisation abführen. Spahn plädiert nun für einen europäischen Entwicklungsfonds, „gegründet mit der Zustimmung des Europäischen Rats, des Europaparlaments sowie der nationalen Parlamente“. Der Fonds würde die Steuereinnahmen entweder selbst verwalten oder „nach einem festgelegten Schlüssel“ an die Länder verteilen, die sie dann für Entwicklungshilfe ausgeben könnten. Unklar ist, nach welchen Kriterien der Fonds Entwicklungsländer unterstützen würde.

Die Einführung einer Tobin-Steuer ist eine zentrale Forderung der Globalisierungskritiker. Das Bündnis Attac begrüßte die Initiative der Ministerin gestern: „Sie ist hervorragend und hat geholfen, Vorurteile zu beseitigen“, sagte Attac-Mitglied Peter Wahl. Denn in Finanz- und Politikerkreisen wurde die Steuer bislang eher als Spinnerei betrachtet: Sie sei politisch nicht durchsetzbar, heißt es etwa aus dem Finanzministerium und von Seiten des Internationalen Währungsfonds. Wenn Deutschland oder die EU im Alleingang eine solche Steuer einführen würde, würden die Händler abwandern, so wird befürchtet.

Dem wiederspricht Spahn: „Wenn wir wollen, ist die Tobin-Steuer technisch machbar – auch im europäischen Alleingang“, sagte er gestern in Berlin. Wichtig sei aber, dass „innerhalb einer Zeitzone sich alle Finanzplätze beteiligen“. Für Europa hieße das, auch „Oasen“ wie Zürich, Andorra oder Luxemburg müssten mitmachen. Spahn: „Kein Mensch dächte daran, nur wegen einer solchen Steuer aus London wegzugehen. Ich habe mit vielen Händlern darüber gesprochen.“

Mit der Studie im Gepäck will die Entwicklungsministerin ins mexikanische Monterrey reisen, wo Ende März eine internationale Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung stattfindet. Die Machbarkeit einer Devisensteuer soll dort als „innovative neue Finanzquelle“ für Entwicklungshilfe diskutiert werden. Dazu gehören außerdem die Idee eines internationalen Insolvenzrechts für Staaten sowie der Vorschlag, Steuern auf Energie zu erheben.

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