ISLAMISTISCHER TERROR (2): DAS NEUE PROPAGANDAVIDEO VON AL-QAIDA
: Noch ein Beweis

Wer noch einen Nachweis brauchte, dass al-Qaida hinter den Anschlägen vom 11. September steckt, für den könnte das neueste Video aus dem Hause Bin Laden eine Beweislücke schließen: Es zeigt einen der saudischen Attentäter, offenbar sechs Monate vor dem 11. 9., der sein Testament in die Kamera spricht. Doch auch dieses neue Indiz wird wohl nicht mehr viel ändern: Wer noch immer nicht an die Verantwortung von Bin Ladens Netzwerk glaubt, wird auch dieses Video für eine Fälschung halten: Konspirationstheorien haben es an sich, immun gegen neue Fakten zu sein und diese irgendwie ins hermetische Weltbild einzubauen.

Bleibt die Frage, welche Wirkung die Absender des mit brennendem Twin-Towers-Motiv versehenen Abschiedsvideos erzielen wollten – und welche Wirkung es in der arabischen Welt haben wird. Es ist ein Propagandavideo mit Pop-Appeal, das CNN wohl wegen politischer Bedenken so nicht gesendet hätte. Al-Dschasira dagegen hat das Video mit Blick auf Einschaltquoten ausgestrahlt. Dass sich junge Araber durch die Ansprache des feurigen jungen Manns, der sich auf den Märtyrertod freut, ermutigt fühlen könnten, seinem Beispiel zu folgen, hat sie davon nicht abgehalten.

Diese Gefahr besteht, denn der Attentäter ist dramatisch und kämpferisch in Szene gesetzt: durchaus ein attraktives Identifikationsmodell für opferbereite Nachahmungstäter, die für ihre Tat sogar noch posthum mit fünf Minuten Weltruhm rechnen können. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass al-Quaida de facto zerstört, ihr Führer vermutlich tot ist. Denn neue Ziele finden sich, dafür sorgen schon die Bilder, die al-Dschasira derzeit aus Palästina sendet und die CNN, ebenfalls aus politischer Opportunität, vorsichtiger dosiert. Fehlen nur noch die Rattenfänger, die pubertären Geltungstrieb und morbide Todessehnsucht auszunutzen bereit sind. Und auch die gibt es – auch wenn sie nicht mehr al-Quaida heißen.

Hätte al-Dschasira also das Video zensieren sollen? Es hätte wohl keinen großen Unterschied gemacht. Das Attentat von Djerba jedenfalls brauchte keine solche Ermunterung. DANIEL BAX