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Hürden für Behinderte

■ Schulbehörde kürzt bei Jugendlichen: Chancen nur, wenn sie lohnen

„Wer will, aber nicht kann, dem wird geholfen“, sagt Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram (CDU) und hat deshalb die Behinderten beim Sparprogramm verschont. Doch Schulsenator Rudolf Lange (FDP) weicht davon jetzt ab: An der dreijährigen Berufsvorbereitung für geistig Behinderte an der Gewerbeschule Uferstraße soll künftig nur noch teilnehmen, wer noch nicht mehr als neun Schuljahre hinter sich hat und deshalb noch schulpflichtig ist (taz berichtete).

Dagegen protestieren Eltern. Elternvertreterin Eveline Bertram sagt: „Es ist für die jungen Leute eine Frage der Würde, dass sie ihr eigenes Geld verdienen.“ Ihr Sohn Phillip beispielsweise – zu 80 Prozent behindert – ist gerade im dritten Jahr, macht ein Praktikum in der Großküche eines Kaffeerösters und hat Aussichten auf einen Ausbildungsplatz als Hauswirtschaftshilfe. Andere arbeiten im Versandhandel oder im Altonaer Stadthaushotel. Zur Zeit starten jedes Jahr 16 Schüler mit geistigen Behinderungen die „kleine Hauswirtschaftsausbildung“, die vor 11 Jahren auf Initiative von Eltern ins Leben gerufen wurde.

Künftig wird nur noch aufgenommen, wer noch schulpflichtig ist. Wer auf der Förderschule beispielsweise eine Klasse wiederholt hat, darf nur noch ein Jahr auf die Schule Uferstraße gehen. Bertram: „Das trifft etwa auf die Hälfte der Schüler zu.“ Zudem sollen nach einem halben Jahr die Lehrer über jeden Schüler ein Ankreuzgutachten ausfüllen, anhand dessen Behördenmitarbeiter über den weiteren Schulbesuch entscheiden. Das zweite Schuljahr gibt es nur noch auf Antrag. „Wir möchten vermeiden, dass Jugendliche, die nicht mehr gefördert werden, auf teuren Schulplätzen aufbewahrt werden, dafür ist die berufliche Schule nicht da“, begründet Jens Radder vom Amt für berufliche Bildung die Änderung.

Eveline Bertram sieht darin einen Verstoß gegen Artikel 3 des Grundgesetzes, wonach niemand wegen einer Behinderung benachteiligt werden darf: „Wenn ein Gymnasiast mehrfach wiederholt, kommt er auf weit mehr Schuljahre. Da fragt kein Mensch nach.“ Und an jeder anderen Schule entscheiden die Lehrer, ob ein Schüler bleibe, nicht die Behörde. kaj/san

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