: Idioten mit Audi
Polizei fahndet europaweit nach Räubern der neun expressionistischen Gemälde – bislang ohne Erfolg. Experten rechnen mit baldigem Fund
von JAN ROSENKRANZ
Es gibt genau zwei Sorten von Kunsträubern, hat der Ex-Scottland-Yard-Ermittler und freiberufliche Kunstfahnder Charles Hill einmal gesagt: Gelegenheitsdiebe und solche, die sich von gigantischen Summen verführen lassen, die auf Auktionen erzielt werden. Kurzum: „Da stecken die größten Idioten dahinter.“
Demnach war statt Oceans Eleven doch nur die Olsenbande am Werk, als am Sonntag, in aller Herrgottsfrühe, im Dahlemer Brücke Museum neun expressionistische Gemälde gestohlen wurden. „Wir gehen davon aus, dass es keine Spontantäter waren“, sagt Inspektionsleiter Andreas Grabinski vom Berliner Landeskriminalamt. Die Frage, ob es denn Profis gewesen sind, beantwortet er jedoch kurz so: „Die Einzigen, die professionell, also von Berufs wegen, damit zu tun haben, sind momentan wir.“ Inzwischen werde europaweit nach den Tätern und einem rotem Audi 100 gesucht. Doch trotz der großen öffentlichen Aufmerksamkeit habe es bislang nur 17 Hinweise gegeben und keine einzige heiße Spur.
Für Grabinski steht jedoch fest, dass sich die Bilder auf dem „ordentlichen Markt“ nicht verkaufen lassen und auch nicht zu regulären Preisen. „Aber wissen Sie, was passiert, wenn sie die Dinger in Kiew auf dem Flohmarkt anbieten?“.
Das weiß auch Tilman Bassenge nicht. Ebenso wie die Polizei schließt der Präsident des Bundesverbandes Deutscher Kunstversteigerer die Variante aus, dass ein „verrückter Millionär“ solche Werke stiehlt oder stehlen lässt und sie dann in den Keller hängt, um sich ganz allein daran zu erfreuen. „Blödsinn“, sagt Bassenge, „denn Kunstgenuss ist extrovertierter Genuss, man muss ihn mit anderen teilen.“ Und verkaufen könne man sie eben nicht. Es handele sich ja um sehr individuelle Stücke, die auf Auktionen jeweils etwa eine Million Euro erzielen könnten. „Wir sprechen ja nicht von Ei und Butterbrot“, sagt Bassenge. Deshalb würde jeder, der so ein Bild kaufen will, vorher ins Art-Loss-Register sehen, wo alle gestohlenen Kunstwerke aufgelistet sind.
Das Art-Loss-Register wurde 1991 von führenden Auktionshäusern und Kunsthändlervereinigungen gegründet, um weltweit und zeitlich unbegrenzt nach gestohlenen Kunstgegenständen suchen zu können. Ulli Seegers, Geschäftsführerin von Art-Loss-Register Köln, vermutet darum ebenfalls keine Superhirne hinter der Tat. Alle neun Bilder seien bereits in den Katalog aufgenommen worden und haben ab jetzt „weltweit praktisch Null Chance“, verkauft zu werden.
Sie rechnet damit, dass die Bilder in einger Zeit auftauchen werden - vermutlich bei einem kleinen Auktionshaus. Momentan erkenne fast jeder die Bilder, „aber fragen sie die Leute doch mal in zwei Wochen“, sagt Seegers. Trotzdem glaubt sie, dass die Kunstwerke sehr schnell gefunden werden. Die Diebe seien keine Experten, haben sie doch aus dem Brücke-Museum überwiegend schwache Werke gestohlen. „Es gab künstlerisch wertvollere und vor allem teurere Bilder zu holen.“ Warum, fragt sich die Expertin, hat niemand etwas aus der parallel stattfindenden Nolde-Austellung mitgenommen?
Vielleicht haben die Diebe ohnehin gar nicht vor, die Bilder zu verkaufen. Vielleicht bieten sie sie irgendwann der Versicherung zum Rückkauf an. Diese Art-Napping genannte Variante der Erpressung soll in den vergangenen Jahren bereits häufiger aufgetreten sein. Seegers bestätigt, dass im letzten Jahr auch unter Beteiligung des Art-Loss-Register ein Lenin-Bild von Warhol auf diesem Wege wieder aufgetaucht sei. Art-Napping sei aber zur Zeit vermutlich vor allem deshalb in aller Munde, weil es so schön klinge. Viel besser als Hehlerei, aber auch viel unwahrscheinlicher. Seegers hat gestern bereits mehrfach mit dem Versicherer gesprochen. Sie dürfe nicht zu viel verraten, aber „falls die Täter das in diesem Fall versuchen sollten, werden die ihr blaues Wunder erleben.“ Eigentlich kein Wunder, die Olsenbande hat man Ende auch immer erwischt.
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