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Notfalls über Spenden finanziert

Pflegedienst: Behörden-Anweisung für unbürokratische Hilfe kommt vor Ort nicht an

Florian Weiß hat Pflegestufe 3 und bekommt rund 1400 Euro im Monat, um die Zivis zu bezahlen. Die erhalten etwa 400 bis 600 Euro. Findet sich kein Zivi, muss er eine Aushilfe zahlen, die das ganze Pflegegeld benötigt, aber nur die Hälfte der Zeit abdeckt.

Ein Problem, das Ursula Bluhm, die Pflegedienstleiterin bei der Muskelschwundhilfe, in Hamburg gleich mehrfach hat. „Die Behinderten können das nicht zahlen, die Kosten bleiben bei uns hängen“, klagt sie. Relativ problemlos zahlten dies die Sozialämter nur bei Menschen, die formal sozialhilfeberechtigt sind. Doch das ist Florian Weiß seit der letzten Kindergelderhöhung nicht mehr. Die „Urproblematik“, so kritisiert Bluhm, liege in der Zivildienstverkürzung auf zunächst elf Monate in 2001 und auf 10 Monate in diesem Jahr. Beides sei „am grünen Tisch“ entschieden worden. Bluhm: „Wenn interesiert schon, was mit Schwerstbehinderten passiert?“

„Wir haben das Problem erkannt und schon vor einem Jahr ein Rundschreiben an alle Bezirke verschickt“, sagt dagegen Sozialbehördensprecherin Anika Wichert. Darin sei die Anweisung an die Bezirke erhalten, allen, die keinen Zivi bekommen, eine Aushilfskraft zu finanzieren.

Von dieser Ausnahmegenehmigung, die bis Ende 2002 gilt, weiß auch Ursula Bluhm. Allerdings hat sie ihr nicht viel genützt. „Wir haben schon vor einem Jahr, als wir schon mal einen Engpass hatten, für Herrn Weiß eine Rechnung beim Sozialamt Rahlstedt eingereicht und keine Reaktion bekommen.“ Vor zwei Monaten habe sie die Unterstützung noch mal angemahnt: „Die haben sich nicht mal mit uns in Verbindung gesetzt.“

In einem ähnlichen Fall habe das Sozialamt Kümmelstraße auch nicht reagiert. Bluhm: „Die Mitarbeiter vor Ort sind nicht ausreichend informiert.“ So war auch vom Ortsamt Rahlstedt gestern auf die Schnelle keine Auskunft zu erhalten.

Eigentlich, so fordert Bluhm, müsste die Sozialbehörde eine generelle Zivi-Ersatz-Regelung schaffen, die ohne großen Aufwand Abhilfe schafft. Bevor es dazu kommt, muss der Verein im Nottfall mit Spenden helfen. KAJ

Deutsche Muskelschwundhilfe e.V., Altertor 20, Haspa BLZ 200 505 50 , Konto 1230/ 125 005, Stichwort: Florian Weiß

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