: Hellersdorfer Immobilienfilz vor Gericht
Die Ermittlungen dauerten vier Jahre. Seit gestern muss sich der Berliner CDU-Bundestagsabgeordnete Diethard Schütze wegen Verdachts der Korruption vor Gericht verantworten – und schwieg. Ihm drohen bis zu fünf Jahre Knast
Wenn der Dreiklang CDU – Immobilienwirtschaft – Korruption ertönt, fällt zuerst immer der Name Landowsky. Das ist ungerecht. Denn nicht Landowsky, sondern der Berliner CDU-Bundestagsabgeordnete Diethard Schütze muss sich seit gestern wegen einer Bestechungsaffäre vor dem Berliner Landgericht verantworten.
Die Staatsanwaltschaft wirft dem ehemaligen Berliner CDU-Fraktionsvize vor, gemeinsam mit dem mitangeklagten Immobilienmanager Thomas Kröning den damaligen Hellersdorfer Wirtschaftsstadtrat Manfred Bittner für die Vermittlung eines kommunalen Baugrundstücks mit insgesamt 68.000 Euro bestochen zu haben. Nach vierjährigen Ermittlungen konnte der Staatsanwalt gestern die Anklage verlesen. Zu den darin erhobenen Vorwürfen wollte sich allerdings keiner der drei Angeklagten äußern.
Ex-Stadtrat Bittner – ebenfalls CDU-Mitglied – sitzt wegen Bestechlichkeit mit auf der Anklagebank. 1995 soll er das Grundstück ohne vorherige Ausschreibung an ein Investorenbündnis, zu dem Schütze und dessen Geschäftpartner Kröning gehörten, vergeben haben. In einer Vorlage an das Bezirksamt soll er die Gruppe als „einzig geeigneten Investor“ benannt haben. Das danach auf dem Gelände errichtete Einkaufszentrum „Hellersdorfer Corso“ konnten die Investoren ein Jahr später mit Millionengewinn weiterverkaufen. Schütze und Kröning sollen einen Gewinnanteil von etwa 600.000 Euro erhalten und davon genau 10 Prozent an die Frau des Stadtrats Bittner überwiesen haben. Ein Scheck über etwa 8.000 Euro sei später hinzugekommen, sagt die Anklage.
Das Gericht verlas gestern auch einen Brief des Managers Kröning an einen Geschäftspartner. Darin bezeichnete er die Zusammenarbeit mit dem Bezirksamt Hellersdorf aufgrund persönlicher Kontakte als „besonders qualifiziert“.
Die Anwältin des Stadtrates, Ulrike Zechner, hält die Klage für ein zusammengebasteltes Stückwerk. Es enthalte große Lücken, die „einfach durch Spekulationen geschlossen wurden“, sagte sie gestern am Rande des Prozesses. So habe ihr Mandant erst zwei Jahre nach seiner Amtszeit das besagte Geld erhalten. Ein Zusammenhang mit dem Grundstücksgeschäft sei konstruiert. Bittner habe 1992 als Stadtrat keine Ausschreibung durchgeführt, weil man 1992 Investoren nachlaufen musste, zumal wenn es sich wie hier um kein Filetgrundstück handelte.
Die Anwältin kritisierte auch den Termin für den Prozessauftakt. „Es drängt sich der Verdacht auf, dass das Verfahren kurz vor der Bundestagswahl instrumentalisiert werden soll.“ Diesen Vorwurf hatte Diethard Schütze bereits im Oktober geäußert, als seine Immunität als Abgeordneter des Bundestags aufgehoben wurde. Damals stand die Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus bevor.
Für den neuen Bundestag kandidiert Schütze nicht mehr. Möglicherweise hat er bald ganz andere Sorgen. Ihm droht eine Freiheitsstrafe zwischen drei Monaten und fünf Jahren. Der Prozess wird am Montag fortgesetzt. JAN ROSENKRANZ
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